Autobiographie der Heiligen Gemma Galgani



Autobiographie der Heiligen Gemma Galgani in Deutsche


Der Webmaster möchte der Postulator General der Patres Passionisten für die Gewährung der Erlaubnis zur Veröffentlichung der Autobiographie des Heiligen Gemma Galgani auf dieser Website.

MEINEM VATER(1), DER ES SOGLEICH VERBRENNEN Möge(2)

Mein lieber Vater!

Hören Sie: ich hatte eigentlich im Sinne, eine Generalbeichte meiner Sünden' zu schreiben, ohne etwas anderes hinzuzufügen; aber Ihr Schutzengel(3) machte mir Vorwürfe und sagte, ich solle gehorchen und eine Zusammenstellung machen von allem, was in meinem Leben vorgefallen ist, Gutes und Schlechtes.

Welche Qual, lieber Vater, hierin zu gehorchen!
Aber bitte, geben Sie gut acht: Sie sollen es lesen und so oft lesen, wie Sie wollen, aber niemand anderer außer Ihnen; und dann gleich verbrennen. Nicht wahr?

Der Engel(4) hat mir versprochen, mich zu unterstützen und mir alles ins Gedächtnis kommen zu lassen: denn ich sage es Ihnen offen, ich habe sogar geweint und wollte es nicht tun: ich schreckte davor zurück, mir alles ins Gedächtnis zurückzurufen; aber der Engel hat mir versichert, mich zu unterstützen.

Und dann denke ich auch, lieber Vater: wenn Sie meine Niederschrift gelesen und meine Sünden gehört haben, werden Sie zornig werden und nicht mehr mein Vater sein wollen; dann aber ... Doch ich hoffe, Sie werden es immer sein wollen. - Bereiten Sie sich also vor, Sünden jeder Art und Gattung zu hören.

Und Sie, mein Vater, billigen das, was der Engel mir gesagt hat, daß ich über mein ganzes Leben schreiben soll? Es ist ein Befehl, und außerdem weiß ich, daß die Dinge, die der Engel mich geheißen hat, ja meinem Vater längst bekannt sind. Wenn ich alles schreibe, das Gute wie das Böse, so werden Sie besser einsehen, wie schlecht ich gewesen bin, und wie alle anderen dagegen gut mit mir waren; wie undankbar ich mich gegenüber Jesus aufgeführt habe und wie oft ich die guten Ratschläge der Eltern und Lehrer nicht hören wollte.

Nun aber ans Werk, mein Vater. Es lebe Jesus!(5)

Erste Erinnerungen - Die Mama(6)
Die erste Erinnerung ist, daß meine Mama, als ich noch nicht sieben Jahre alt war, mich häufig auf den Arm zu nehmen pflegte und mehrere Male dabei weinte und wiederholte: "Ich habe Jesus's so sehr gebeten, daß er mir ein Mädelchen schenken möchte: er hat mich erhört, aber ein wenig spät. Ich bin krank - wiederholte sie immer wieder - und werde sterben müssen, werde dich verlassen müssen ; O, wenn ich dich doch mit mir nehmen könnte I Möchtest du mit mir kommen?"

Ich begriff wenig davon und weinte, weil ich die Mama weinen sah. "Und wohin sie gehen wolle?", fragte ich sie. "Ins Paradies, zu Jesus, zu den Engeln .. "

Es war also meine Mama, lieber Vater, die in mir schon von klein auf die Sehnsucht nach dem Paradies wachzurufen begann; aber wenn ich diese Sehnsucht heute noch habe und dorthin gehen möchte, so bekomme ich schöne Schelte und ein schönes Nein zu hören als Antwort(7)

Der Mama gab ich ein Ja zur Antwort und ich erinnere mich, daß, nachdem sie so oft wiederholt hatte, mich ins Paradies mitnehmen zu wollen, ich mich gar nicht von ihr trennen und gar nicht mehr aus ihrem Zimmer gehen wollte. [ ..... ](8)

Der Arzt verbot zwar, daß wir uns sogar nicht einmal ihrem Bette nähern sollten; aber für mich war alles Verbietenunnütz, ich gehorchte nicht. Jeden Abend vor dem Zubettgehen ging ich zu ihr, um die Gebete zu beten: ich kniete mich an ihrem Kopfkissen nieder und wir beteten.

Eines Abends ließ sie mich zu den gewohnten Gebeten noch ein ."De profundis“(9) für die Seelen im Fegefeuer und fünf "Gloria" zu Ehren der Wunden Jesus hinzufügen. Ich betete sie zwar, aber wie gewöhnlich mit Unlust und ohne Aufmerksamkeit (in der ganzen Zeit meines Lebens war ich ja nie aufmerksam beim Gebet); ich bockte und zankte mit der Mama, daß es zu viel sei und ich keine Lust habe. Und die nachsichtige Mama machte es an den anderen Abenden dann kürzer.

Die Firmung (1885) - Die Mama im Paradies (1886)
Inzwischen kam die Zeit, da ich gefirmt werden sollte. Meine Mutter dachte daran, mir ein wenig Unterricht geben zu lassen, da ich so gar nichts wußte. Aber ich Böse wollte nicht aus ihrer. Kammer weichen, und so war eine Lehrerin gezwungen, jeden Abend ins Haus zu kommen, immer unter den Augen der Mutter.(10)

Am 26. Mai 1885(11) empfing ich die heilige Firmung, aber weinend, weil meine Begleitung danach die Messe hören wollte und ich immer fürchtete, die Mama könnte davongehen(sterben), ohne mich mitzunehmen.

Ich hörte so gut wie möglich die Messe und betetefür die Mama; da ganz plötzlich sprach zu mir eine innere Stimme im Herzen: "Willst du mir deine Mama geben?“(12) Ja ---antworte ich--- aber, wenn Ihr auch mich nehmt." "Nein---wiederholte die vorige Stimme--- 'gib mir diene Mama freiwillig. Du mußt vorläufig noch beim-Papa bleiben. Ich werde sie dir in den Himmel entführen, verstehst du? Gibst du sie mir gerne?" Ich war gezwungen, mit ja zu antworten; nach Beendigung der Messe lief ich nach Haus. Mein Gott! Ich schaute die Mama an und weinte; ich konnte mich nicht beherrschen(13).

Es vergingen zwei weitere Monate; niemals trennte ich mich von der Mama. Endlich aber führte mich der Papa, der fürchtete, ich möchte noch vor der Mama sterben, eines Tages mit Gewalt fort und brachte mich zu einem Bruder der Mama, nicht weit von Lucca.(14) Vater, mein Vater, und dann ... Welche Qual! Ich sah niemanden mehr, weder den Papa noch die Brüder; endlich erfuhr ich, daß die Mama am 17. September jenes Jahres(15) gestorben war.

In S. Gennaro beim Onkel
Ich änderte mein Leben durchaus beim Onkel; ich traf dortauch eine Tante, die ganz und gar nicht der Mama glich: gut, fromm, aber von der Kirche wollte sie nur bis zu einem bestimmten Punkt etwas wissen. Ja, damals trauerte ich der Zeit nach, da mich die Mama so viel beten gelehrt. Die ganze Zeit, die ich bei der Tante war, war es mir nicht möglich zu beichten (wonach mich so sehr verlangte); nur sieben Male beichtete ich und hätte es doch jeden Tag 'tun mögen, nachdem die Mama gestorben war (die Mama ließ mich nach der Firmung jede Woche gehen).

Die Tante beschloß, mich wie eine' Tochter zu behalten, aber als mein Bruder, der jetzt verstorben ist,(16) davon hörte, wollte er es auf keinen Fall; und Weihnachten kehrte ich in die Familie zurück, zu Papa, den Brüdern, zwei Schwestern(17) und zwei Dienstboten.

Welche Freude empfand ich bei der Rückkehr zu ihnen, als ich den Händen der Tante entging! Sie meinte es gewiß sehr gut mit mir, ich aber keineswegs, durchaus nicht. - Der Vater schickte mich jetzt zur Schule in das Institut der heiligen Zita (es waren Nonnen.)(18)

In der Zeit, da ich bei der Tante war, war ich immer bös. Die Tante hatte einen jungen Sohn, der mich ärgerte und handgreiflich gegen mich wurde; eines Tages, als er ausritt (er war fünfzehn Jahre alt), befahl mir die Tante, ihm, ich weiß nicht was für ein Kleidungsstück zu bringen. Ich brachte es ihm, und er kniff mich: da gab ich ihm einen starken Schubs, so daß er herunterfiel; er verletzte sich am Kopf. Die Tante band mir die Hände hinten auf dem Rücken zusammen für einen ganzen Tag. Ich ärgerte mich, wurde zornig, widersprach und machte einen Haufen Grimassen und sagte auch, ich wolle mich rächen; aber ich tat es nicht.

In der Schule der Zita-Schwestern Erste Kommunion (1887)
Ich begann nun zur Schule der Schwestern zu gehen: ich war im Paradies. Ich zeigte gleich das Verlangen, die Kommunion zu empfangen; aber die Schwestern fanden mich so bös und unwissend, daß sie ganz bestürzt waren. Sie begannen mich zu unterrichten und mir viele gute Lehren zu geben; aber ich wurde immer noch schlechter. Ich hatte einzig das Verlangen, bald die heilige Kommunion zu empfangen, und die Schwestern hatten dann ein Einsehen und gewährten sie mir bald.

Die Schwestern hielten die Feier der heiligen Kommunion gewöhnlich im Juni; wir waren inzwischen an diesen Zeitpunkt herangekommen, und ich wollte den Papa um Erlaubnis bitten, für einige Zeit im Kloster wohnen zu dürfen, Papa ärgerte sich und erlaubte nichts; aber ich, die ich wohl die List kannte, um ihn zu bewegen alles zu erlauben, wandte sie an und erreichte es gleich. (Jedesmal, wenn Papa mich weinen sah, tat er alles, was ich wollte.) Ich weinte, sonst erreichte ich nichts. Am Abend erhielt ich die Erlaubnis und gleich am Morgen ging ich ins Kloster und hielt mich dort fünfzehn Tage auf. In dieser Zeit sah ich gar niemanden von der Familie. Aber wie fühlte ich mich wohl! Welches Paradies, lieber Vater! [ ... ](19)

Kaum war ich im Kloster, so fühlte ich mich befriedigt, lief in die Kapelle, um Jesus zu danken, und betete innig, um mich gut auf die heilige Kommunion vorzubereiten.

Aber ich hatte noch ein anderes Anliegen außer diesem: die Mutter hatte mir, als ich noch klein war, den Gekreuzigten gezeigt und mir gesagt, daß er am Kreuze gestorben sei für die Menschen; später hörte ich es dann wiederholen von den Lehrerinnen; aber ich begriff es niemals recht; und dabei hätte ich so gewünscht, genau das ganze Leben Jesu und seine Leidesgeschichte kenneanzulernen. Ich äußerte dieses Verlangen meiner Lehrerin gegenüber, und sie begann Tag für Tag mir etwas davon zu erklären; sie wählte dazu eine Stunde, wenn die anderen Kinder schon im Bett waren, und tat es, glaube ich, heimlich vor der Mutter Ober in.

Eines Abends erklärte sie mir etwas von der Kreuzigung, der Krönung und dem ganzen Leiden Jesu: sie tat es so gut und so lebendig, daß ich dabei großen Schmerz und Mitleid empfand - so sehr, daß ich auf der Stelle hohes Fieber bekam und den ganzen folgenden Tag im Bett bleiben mußte. Die Lehrerin brach von diesem Tag an jede Erklärung ab.(20).

Sie bereiteten mir auch Unruhe, die Schwestern: sie wollten den Papa benachrichtigen, daß ich Fieber bekommen habe; aber sie bezahlten es teuer, weil es für sie, für mich und das ganze Kloster Folgen hatte. Das geschah besonders in den zehn Tagen der Exerzitien.

In die heiligen Exerzitien trat ich mit anderen elf Kindern am ..(21) Juni ein; sie wurden geleitet von Hochwürden Raphael Cianetti(22) Alle Kinder gaben sich Mühe, sich gut auf den Empfang Jesu vorzubereiten; ich allein war die Nachlässigste und Zerstreuteste von allen: ich dachte gar nicht daran, mein Leben zu ändern; ich hörte die Vorträge, aber vergaß sie sehr bald.

Oft, ja jeden Tag, sagte der gute Exerzitienleiter: "Wer Jesus genießt, wird an Seinem Leben teilhaben." Diese Worte bereiteten mir großen Trost und ich über. legte bei mir: Wenn also Jesus in mir sein wird, so werde ich nicht mehr in mir leben, sondern es wird in mir leben Jesus. Und ich starb vor Verlangen, bald dahin zu kommen, diese Worte sprechen zu können [Jesus lebt in mir](23) Zuweilen brachte ich ganze Nächte damit zu, diese Worte zu betrachten, von Verlangen verzehrt.

Endlich kam der so heißersehnte Tag. Am Tage zuvor schrieb ich diese wenigen Zeilen an Papa:

Lieber Papa!
Wir stehen am Vorabend des Tages der ersten Kommunion, eines Tages voll unendlicher Freude für mich. Ich schreibe ihm diese Zeilen nur, um ihn meiner Liebe zu versichern und damit er Jesus bittet, daß er, wenn er das erste Mal zu mir kommt, mich vorbereitet findet, alle die Gnaden zu empfangen, die er mir bereitet hat.
Ich bitte ihn um Verzeihung für alle Unarten und so vielen Ungehorsam, den ich ihm gegenüber begangen habe, und bitte ihn, er möchte heute Abend alles vergessen. Um seinen Segen bittend, bin ich die liebende
Tochter, Gemma.

Ich bereitete mich mit großer Mühe der guten Schwestern auf die Generalbeichte vor, die ich in drei Malen bei Monsignor Volpi(24) machte; ich beendete sie am Samstag, am Vorabend des glücklichen Tages.

Endlich kam der Sonntagmorgen; ich erhob mich gleich und lief zu Jesus, zum ersten Male(25). Endlich war mein seufzendes Verlangen gestillt. Ich verstand zum ersten Male das Versprechen Jesus: "Wer mich genießt, wird mein Leben leben."

Lieber Vater, was in diesem Augenblick zwischen mir und Jesus vorging, kann ich nicht ausdrücken. Jesus teilte sich meiner armen Seele ganz stark fühlbar mit. Ich begriff in diesem Augenblick, daß die Freuden des Himmels nicht die der Erde sind. Ich fühlte mich von dem Verlangen gepackt, diese Vereinigung mit meinem Gott dauernd zu wiederholen. Immer mehr fühlte ich mich losgelöst von der Welt und immer mehr geneigt zur Sammlung. An diesem gleichen Morgen war es auch, daß Jesus mir das große Verlangen eingab, Nonne zu werden.

Die Vorsätze der ersten Kommunion
Ehe ich das Kloster verließ, machte ich von mir aus gewisseVorsätze zur Regelung meines Lebens:
1. Ich will Immer beichten und kommunizieren, als ob es das letzte Mal wäre.
2. Ich will oft Jesus im Tabernakel besuchen, besonders wenn ich betrübt bin.
3. Ich will mich auf jedes Fest der Madonna mit einigen Abbtötungen vorbereiten, und jeden Abend will ich die Himmelsmutter um ihren Segen bitten.
4. Ich will immer in der Gegenwart Gottes stehen.
5. Ich will jedesmal beim Glockenschlag dreimal wiederholen: Mein Jesus , Barmherzigkeit.

Ich hätte noch andere Vorsätze hinzufügen wollen, aber es wurde mir nicht erlaubt von der Lehrerin; und sie tat recht daran; denn schon etwa ein Jahr nach der Rückkehr in die Familie vergaß ich die gemachten Vorsätze und die guten Ratschläge und wurde schlechter als früher, Ich fuhr fort zur Schule zu gehen, zu den Schwestern; sie waren für kurze Zeit zufrieden. Zweioder dreimal in der Woche ging ich zur Kommunion: Jesus teilte sich mir immer fühlbarer mit; mehrere Male ließ er mich sehr große Tröstungen verkosten; aber wie bald wurde ich untreu und begann stolz und ungehorsam zu werden, mehr als vorher: ein schlechtes Beispiel für die Mitschüler, ein Anstoß für alle!

In der Schule verging kein Tag, daß ich nicht gestraft wurde; ich wußte die Aufgaben nicht und wenig fehlte, daß man mich fortgejagt hätte. Im Hause ließ ich niemanden in Frieden; jeden Tag wollte ich spazierengehen und immer neue Kleider haben, die der arme Papa mir einige Zeit gewährte. Ich unterließ jeden Morgenund Abend die gewohnten Gebete(26); aber niemals vergaß ich bei allen diesen Sünden jeden Tag drei Ave Maria mit den Händen unter den Knien zu beten (was mich meine Mama gelehrt hatte, damit Jesus mich jeden Tag vor den Sünden gegen die heilige Reinheit bewahrte).

Liebe zu den Armen - Neue Bekehrung
Das einzigste, was mir in dieser Zeit, die fast ein ganzes Jahr lang dauerte, geblieben war, war die Liebe zu den Armen. Jedesmal, wenn ich von Hause fortging, wollte ich immer Geld von Papa, und wenn er es mir manchmal verweigerte, nahm ich Brot, Mehl und andere Sachen von Hause mit; Gott selbst wollte, daß ich [Armen] begegnete, drei bis vier bei jedem Ausgang. Denjenigen, die an die Haustür kamen, gab ich Wäsche und alles, dessen ich habhaft werden konnte.

Dann bekam ich ein Verbot von Seiten des Beicht. vaters, und ich tat es nicht mehr; und auf diese Weise wirkte Jesus in mir eine neue Bekehrung; denn Papa gab mir kein Geld mehr, von Hause konnte ich nichts mehr mitnehmen und doch begegnete ich bei jedem Ausgang Armen, die alle zu mir liefen. Ich konnte ihnen nichts mehr geben, und das war ein Schmerz, der mich dauernd weinen machte. Auf diese Weise hörte ich auf, ohne Notwendigkeiten außer Haus zu gehen, und wurde auch der Kleider und aller anderen Dinge satt.

Ich versuchte nun, aufs neue eine Generalbeichte zu machen;doch sie wurde mir nicht gestattet(27). Ich beichtete aber alles, und Jesus gab mir darüber so großen Schmerz ein, daß ich ihn noch immer fühle. Ich bat die Lehrerinnen um Verzeihung, weil ich ihnen vor allem Maßfällen hatte.

Dem Papa aber und den Brüdern gefiel diese Bekehrung nicht; besonders einem Bruder nicht, weil ich jeden Morgen frühzeitig zur Messe gehen wollte. Aber Jesus unterstützte mich von dieser Zeit an immer mehr.

In der Familie mit den Tanten
In dieser Zeit, da Großvater und Onkel gestorben waren, kamen zwei Tanten väterlicherseits zu uns in die Familie(28), Es waren gute, fromme und liebevolle Tanten; aber es war doch nicht die zarte Liebe der Mama. Sie führten uns fast jeden Tag in die Kirche und versäumten auch nicht, uns in den Dingen der Religion zu unterrichten.

Von den Brüdern und Schwestern waren die einen besser, die anderen schlechter: der beste, der vierte, welcher starb(29), und die kleine Julia waren sehr gut und wurden daher von den Tanten besonders geliebt; aber die anderen, die sich ein schlechtes Beispiel an mir genommen hatten, waren allzu lebhaft und wurden daher vernachlässigt; aber es fehlte doch keinem am Nötigsten.

Die Schlechteste von allen war immer ich, und wer weiß, welch' strenge Rechenschaft ich noch einmal dem Herrn werde ablegen müssen für das schlechte Beispiel, das ich den Brüdern und Mitschülern gab. Die Tantenversahuman nicht, mich in allem, worin ich fehlte, zurechtzuweisen; aber ich antwortete ihnen nur mit Anmaßung, und sie bekamen von mir nichts als laute Widerreden zu hören.

Aber, wie ich schon gesagt habe, benutzte Jesus Mittel, daß ich nicht mehr Almösen geben konnte, um mich zu bekehren. Damals begann ich über die große Beleidigung Jesus durch meine Sünden nachzudenken; ich begann zu lernen und zu arbeiten, und die Schwestern fuhren fort mir wohlwollen; der einzige Fehler, dessenwegen ich Vorwürfe und Strafen bekam, war der Stolz. Die Lehrerin nannte mich oft „die Stolze".

Ja, leider hatte ich diese Sünde; aber Jesus weiß, ob ich mir ihrer bewußt war oder nicht. Oftmals warf mich vor der Lehrerin, vor allen Mitschülerinnen, vor der Mutter Ober in auf die Knie, um sie um Verzeihung zu bitten für diese Sünde; aber am Abend, und auch ganze Nächte hindurch, weinte ich allein für mich: ich erkannte diese Sünde nicht, und mehrmals am Tage fiel ich wieder und wieder in sie, ohne es zu bemerken.

Die gute Lehrerin
Die Lehrerin, die in der Zeit der Exerzitien für die eilige Kommunion mir die LeidendGeschichte erklärt hatte, versuchte eines Tages (vielleicht weil sie in mir eine Veränderung sah) aufs neue, sie mir zu erklären; sie ging aber sehr langsam voran; dagegen wiederholte sie mir oft: "Meine Gemma - sagte sie mir - du gehörst Jesus und mußt ganz die Seine sein. Sei brav: Jesus ist zufrieden mit dir; nur hast du viel Unterstutzig nötig. Die Betrachtung der LeidendGeschichte muß dir am meisten am Herzen liegen. O, wenn ich dich immer bei mir haben könnte! ... "

Diese gute Lehrerin hatte meine Gedanken erraten. Andere Male wiederholte sie mir: "Gemma, wie viele Gnaden hat dir Jesus gegeben! .. ." Ich begriff recht wenig von all dem und blieb wie stumm; aber zuweilen hatte ich doch so sehr ein Wort oder auch (ich sage es offen) eine LiebLosung nötig, daß ich zu meiner lieben Lehrerin lief, um sie mir zu holen. Manchmal zeigte sie sichernst; dann weinte ich, wenn ich sie so sah - und der Schluß war, daß sie mich, obwohl ich schon elf Jahre alt war, in den Arm nahm und liebkoste, so daß ich sie am Ende so liebgewann, daß ich sie meine Mama nannte.

Geistliche Exerzitien 1891
Alle zwei Jahre pflegten die Schwestern auch für die auswärtigen Schülerinnen Exerzitien abhalten zu lassen: mir schien, als könnte ich mich wirklich nicht von neuem mit Jesus sammeln. Auch war ich dieses Mal ganz allein ohne jede Unterstützung: die Schwestern machten sie nur für sich und ihre Kinder.

Ich begriff gut, daß Jesus mir diese Gelegenheit schickte, um mich selbst gründlich zu erkennen, mich besser zu läutern und ihm zu gefallen.

Das waren die Exerzitien von 1891, in denen Gemma sich ändern und sich ganz Jesus opfern sollte.

Ich erinnere mich, daß jener gute Priester wiederholte: "Denken wir daran, daß wir selbst nichts sind und Gott alles. Gott ist unser Schöpfer; alles, was wir haben, haben wir von Gott."

Nach einigen Tagen, erinnere ich mich, ließ uns der Exerzitienieiter die Betrachtung über die Sünde machen. , damals erkannte ich in Wahrheit, lieber Vater, daß 1 wert war, von allen verachtet zu werden: so undankbar sah ich mich Gott gegenüber und so mit Sünden bedeckt.

Wir machten dann die Betrachtung über die Hölle, die ich für mich verdient zu haben glaubte; und bei dieser Betrachtung machte ich folgenden Vorsatz: Ich will, auch während des Tages, Akte der Reue erwecken, besonders wenn ich einen Fehler begangen haben werde.

In den letzten Tagen der Exerzitien betrachtete man die Beispiele der Erniedrigung, der Sanftmut, des Gehorsams und der Geduld Jesus]; und aus dieser Betrachtung gewann ich noch zwei Vorsätze:
1. Jeden Tag den Besuch vor dem Tabernakel zu machen und dort mit Jesus zu sprechen mehr mit dem Herzen als mit den Lippen.
2. Ich will versuchen, so viel ich kann, keine belanglosen Gespräche mehr zu führen, sondern von himmlischen Dingen zu reden.

Nach Beendigung der Exerzitien erlangte ich vom Beichtvater die Erlaubnis, wöchentlich dreimal zu kommunizieren und auch dreimal zu beichten; und bei verharrte ich für etwa drei bis vier Jahre, bis 1895.

Betrachtung der Leidesgeschichte Jesus
Ich fuhr fort jeden Tag zur Schule zu gehen; aber die Sehnsucht, Jesus zu empfangen und seine Leidenschlichte kenneanzulernen, wuchs in mir so stark, daß ich von der Lehrerin erreichte: sie würde mir jedesmal, wenn ich bei Arbeit und Studium eine ,,10" (30) hätte, die Leidesgeschichte eine ganze Stunde lang erklären. Ich begehrte nichts weiter: jeden Tag hatte ich eine ,,10" und jeden Tag bekam ich die Erklärung über einen Punkt der Leidesgeschichte. Oft, wenn wir an meine Sünden und an meine Undankbarkeit Jesus gegenüber dachten:, begannen wir gemeinsam zu weinen.

Im Verlaufe dieser vier Jahre lehrte mich jene gute Lehrerin auch einige kleine Bußübungen für Jesus zu machen: zuerst einen kleinen Strick um den Leib tragen und vieles andere; aber so viel ich mich auch bemühte, erlangte ich doch niemals die Erlaubnis des Beichtvaters dazu. Dann lehrte sie mich, die Augen und die Zunge abzutöten; es gelang, mich besser zu machen, aber mit großer Mühe.

Diese gute Lehrerin starb, nachdem sie mich sechs Jahre(31) unter sich gehabt hatte; Ich kam dann unter die Leitung einer anderen, die ebenso gut war wie die erste; aber auch sie hatte sich viel über mich zu beklagen wegen der häßlichen Sünde des Stolzes(32).

Unter ihrer Leitung begann ich mehr Lust am Gebet zu bekommen. Jeden Abend ging ich gleich nach Schulschluß nach Hause, Schilöß mich in eine Kammer ein und betete den ganzen Rosenkranz kniend; und mehrmals in der Nacht erhob ich mich für eine Viertelstunde und empfahl Jesus meine arme Seele.

Der Liebling Papas - Der Bruder Gino
Die Tanten und die Brüder beschäftigten sich wenig mit mir: sie ließen mich tun, was ich wollte, da sie schon erkannt hatten, wie bös ich war. Der Papa befriedigte. mich in allem: er sagte oft (was mich so viele Male weinen machte): "Ich habe nur zwei Kinder, Gino und Gemma."

Er sprach so in Gegenwart von allen anderen, und um die Wahrheit zu sagen, waren wir ein [wenig] unbeliebt:bei den anderen Hausgenossen.

Ich liebte ihn [Gino] mehr als alle anderen: wir waren immer zusammen; in den Ferientagen unterhielten wir uns damit, Altärchen zu bauen, Feste zu feiern usw.; wir waren immer allein. Er zeigte das Verlangen, wenn er groß geworden sei, Priester zu werden; er wurde dann auch ins Seminar geschickt und eingekleidet; aber wenige Jahre darauf starb er(33).

Als er krank zu Bett lag, wollte ich mich nicht von ihm trennen. Der Arzt hatte ihn schon tatsächlich auf:geben; aber mir tat es so weh, daß er sterben sollte, und um auch zu sterben, benutzte ich alle seine Sachen. Wenig fehlte, daß ich tatsächlich starb; denn einen Monat nach seinem Tode erkrankte auch ich schwer.

Ich kann nicht sagen, wie sehr sich alle [um mich] sorgten, besonders der Papa; oft sah ich ihn weinen und Jesus um den Tod bitten an meiner Stelle. Er endete alle Heilmittel an und nach drei Monaten genas ich.

Abschied von der Schule Der Schmuck einer Braut des Gekreuzigten
Der Arzt verbot jetzt das Studium und ich verließ die :Schule. Oft schickten die Ober in und die Lehrerinnen nach mir, um mich zu sich zu rufen und mich bei sich I haben; aber Papa wollte mich nicht mehr gehen lassen. jeden Tag führte er mich aus und erfüllte alle meine Wünsche; und ich begann von neuem, damit Mißbrauch zu treiben. Nur die Kommunion machte ich drei- oder viermal in der Woche, und Jesus kam, obwohl ich doch so schlecht war, teilte sich mir mit und sagte mir so viele Geheimnisse.

Einmal, ich erinnere mich sehr gut, hatten sie mir eine goldene Uhr mit Kette geschenkt; ich, ehrgeizig wie ich war, konnte den Augenblick nicht erwarten, sie anzulegen und auszugehen (es begann damals, lieber Vater, meine Phantasie zu arbeiten). Ich ging tatsächlich aus; als ich zurückkehrte und mich auszog, sah ich einen Engel (den ich jetzt als meinen Schutzengel erkannt habe), der sehr, sehr ernst zu mir sprach: "Bedenke, daß die Schmuckstücke, die eine Braut des gekreuzigten Königs zieren, keine anderen sein können als Dornen und Kreuz."

Diese Worte erzählte ich nicht einmal dem Beichtvater; jetzt habe ich sie zum ersten Male gesagt. Sie machten mir Angst, wie mir auch der Engel Angst machte; aber bald darauf faßte ich, jene Worte erwägend, ohne recht zu begreifen, diesen Vorsatz: Aus Liebe zu Jesus und um Ihm zu gefallen, nehme ich mir vor, nichts mehr zu tragen und nichts mehr zu sagen, was nach Eitelkeit aussieht.

Ich hatte auch einen Ring am Finger: ich legte ihn gleichfalls ab, und von diesem Tage an habe ich nichts mehr gehabt.

Ich nahm mir jetzt vor (weil Jesus mir damals so klare Erleuchtung eingab, Nonne zu werden) mein Leben zu ändern; und es bot sich eine gute Gelegenheit, weil gerade der Jahresbeginn 1896(34) bevorstand. Ich schrieb mir in ein kleines Büchlein:

In diesem neuen Jahre nehme ich mir vor, ein neues Leben zu beginnen. Was mir im neuen Jahre begegnen wird, weiß ich nicht. Ich überlasse mich ganz Euch, mein Gott. All mein Sinnen und Trachten soll auf Euch gerichtet sein. Ich fühle mich schwach, O Jesus; aber mit Eurer Hilfe hoffe und beschließe ich, anders zu leben, das heißt mehr in Eurer Nähe.

Verlangen nach dem Himmel
Von dem Augenblick an, da die Mama mir die Sehnsucht nach dem Paradies eingegeben hatte, habe ich immer (auch mitten in so vielen Sünden) heiß danach verlangt, und wenn Gott mir die Wahl gelassen hätte, hatteich vorgezogen, mich vom Körper loszumachen und in den Himmel zu fliegen. Jedesmal, wenn ich Fieber hatte und mich schlecht fühlte, war es für mich eine Tröstung; aber es war für mich ein Schmerz, wenn ich nach einer Krankheit meine Kräfte wieder wachsen fühlte. Ja, eines Tages fragte ich Jesus nach der Kommunion, warum er mich nicht ins Paradies nehmen möchte. Er antwortete mir: "Tochter, weil ich r in der Zeit deines Lebens so viele Gelegenheit zu größerem Verdienst geben werde, in dir das Verlangen nach dem Himmel verdoppelnd: ertrage das Leben mit Geduld(35)."

Diese Worte konnten in mir in keiner Weise jenes erlangen verringern; ja jeden Tag merkte ich, daß es )noch immer mehr wuchs.

Jesus lieben und mit ihm leiden!
In dem gleichen Jahre 1896(36) begann in mir auch ein anderes Verlangen aufzukeimen: ich fühlte in mir eine heftige Begierde, Jesus als den Gekreuzigten ganz und gar zu lieben und damit verbunden zu leiden und Jesus in seinen Schmerzen zu unterstützen.

Eines Tages wurde ich beim aufmerksamen Betrachten und Anblicken des Gekreuzigten von so großem Schmerze ergriffen, daß ich ohnmächtig zu Boden fiel; mein Papa war gerade zu Hause und begann mich Auszugschelten; er sagte, es mache mich krank, immer zu Hause zu sitzen und am Morgen schon so frühzeitig auszugehen (seit zwei Morgen ließ er mich nicht mehr zur Messe gehen). Ich antwortete unwillig:
"Nein, mich macht krank, daß ich Jesus im Sakrament fernbleiben muß."

Über diese Antwort ärgerte er sich so sehr, daß ich von ihm heftige Schelte bekam; ich verbarg mich in der Kammer und schüttete zum ersten Male meinen Schmerz Jesus allein aus.

Lieber Vater, der Worte kann ich mich nicht mehr erinnern, aber mein Engel ist hier, der hat sie mir Wort für Wort gesagt. Es sind folgende: "Dir will ich folgen um den Preis jeden Leidens, dir will ich inbrünstig folgen; nein, Jesus, ich will dich nicht mehr mit Lauheilten kränken, wie ich es bisher getan: das hieße dir untreu werden und dich beleidigen. Also nehme ich mir vor: andächtigere Gebete, häufigeres Kommunizieren. Jesus, ich will leiden und nur leiden für dich. Immer Gebet auf den Lippen. Oft fällt, wer oft Vorsätze macht: aber was wird sein mit dem, der es selten tut?"

Lieber Vater, diese Worte kamen mir aus meinem Herzen in jenem Augenblick des Schmerzes und der Hoffnung, da ich mit meinem Jesus allein war.

So viele Vorsätze habe ich gemacht, aber niemals habe ich einen gehalten. Jeden Tag, inmitten meiner vielen Sünden jeder Art, bitte ich Jesus, zu leiden und wieder zu leiden.

Das Fußleiden
Jesus gab mir danach eine große Tröstung: er schickte mir ein Fußleiden. Ich hielt es einige Zeit geheim, aber der Schmerz wurde sehr arg(37): es kam er Arzt und sagte, daß eine Operation, falls beizeiten vorgenommen, gelingen würde, wenn nicht der Fuß abgenommen werden sollte. Allen in der Familie tat das sehr Leid, ich allein blieb gleichgültig. Ich erinnere lieh, daß ich während der Operation weinte und wehklagte; aber dann schaute ich auf Jesus und bat ihn um Verzeihung für meine Schwäche(38)", Jesus schickte mir noch andere Leiden, und ich kann wohl in Wahrheit sagen, daß ich unmittelbar nach dem Tode der Mutter nicht einen einzigen Tag verbracht habe, ohne für Jesus ein wenig gelitten zu haben.

In dieser Zeit hatte ich niemals aufgehört, Sünden zu begehen: jeden Tag wurde ich schlechter, war voller Fehler und weiß nicht, warum Jesus nicht dauernd über mich erzürnt war. Ein einziges Mal habe ich Jesus über mich erzürnt gesehen, und ich hätte gewünscht, tausendmal die Peinen der Hölle im Leben zu erleiden, als vor dem ungnädigen Jesus zu stehen und vor seine Augen das schreckliche Bild meiner Seele zu stellen, wie es geschah in der Zeit, von der ich noch sprechen werde.

Das erste Gelübde
Am Christtag des Jahres 1896(39) wurde mir erlaubt, zur Messe zu gehen und die heilige Kommunion zu empfangen. Ich zählte in jener Zeit etwa 15 Jahre(40) und hatte schon seit langer Zeit den Beichtvater gebeten, daß er mich das Gelübde der Jungfräulichkeit ablegen ließe (ich bat ihn darum schon seit vielen Jahren, wußte aber nicht, worum es sich handelte; doch schien es nach meiner Meinung das schönste Geschenk zu sein, das Jesus gefallen könnte). Es war mir nicht möglich, die Erlaubnis zu erlangen; aber an Stelle des Gelübdes der jungfräulichkeit ließ er mich das der Keuschheit ablegen; und in der Christnacht legte ich Jesus das erste Gelübde ab. Ich erinnere mich, daß Jesus es gnädig an nahm und mir von sich aus, nach der Kommunion, sagte, ich solle mit diesem Gelübde die Aufopferung meiner selbst, meiner Gefühle und die Ergebung in seinen Willen verbinden. Ich tat es mit so großer Freude, daß ich die Nacht und den folgenden Tag wie im Paradies zubrachte.

Das Schmerzes Jahr (1897): der Tod Papas
Das besagte Jahr ging zu Ende und wir traten in das Jahr 1897(41) ein, das für die ganze Familie so schmerzhaft werden sollte. Ich allein blieb so vielem Unglück gegenüber herzlos und gleichgültig. Das, was die anderen o sehr betrübte, war der Verlust alles Lebensunter'altes und obendrein eine schwere Krankheit von Papa.

Eines Morgens, nach der Kommunion, begriff ich die Größe des Opfers, das Jesus bald verlangen wollte; ich "weinte sehr, aber Jesus teilte sich in diesen Tagen des Schmerzes meiner Seele um so fühlbarer mit; auch gab mir das ergebene Sterben von Papa so große Kraft, aß ich das schwere Unglück recht ruhig ertrug. Am 'Todestag-" verbot mir Jesus, mich in unnützes Weinen und Wehklagen zu verlieren; und so brachte ich den 'Tag im Gebet zu und war sehr ergeben in den Willen Gottes, der in diesem Augenblick die Stellen des himmlischen und des irdischen Vaters übernahm.

Bei der Tante in Camaiore Rückkehr nach Lucca (1898)
Nach dem Tode [von Papa] standen wir vor dem nichts: wir hatten nichts mehr, zu leben. Eine Tante, die das wußte, unterstützte uns in allem und wollte nicht, daß ich länger in der Familie blieb; am Tage nach dem Tode von Papa ließ sie mich holen und behielt mich für mehrere Monate bei sich. (Es war aber nicht die gleiche Tante wie die nach dem Tode von Mama, sondern eine andere):".

Jeden Morgen führte sie mich zur Messe; die Kommunion empfing ich nur wenige Male, weil ich keine Gelegenheit zur Beichte fand bei anderen, außer bei Monsignore. In dieser Zeit begann ich deshalb Jesus zu vergessen, das Gebet zu vernachlässigen und von neuem Gefallen an Zerstreuungen zu finden.

Eine andere Nichte, die die Tante auch bei sich hatte, wurde meine Freundin, und wir waren ganz einig in Schlechtigkeiten. Die Tante ließ uns oft allein ausgehen; ich merkte gut, daß (wenn Jesus nicht Mitleid mit meiner Schwäche gehabt hätte) ich in schwere Sünden gefallen wäre; die Liebe zur Welt begann ganz langsam von meinem Herzen Besitz zu ergreifen; aber siehe, Jesus gab mir von neuem Gelegenheit zum Fortschreiten: ganz plötzlich begann ich krumm zu werden und heftige Schmerzen in den Nieren [zu haben]. Ich widerstand für einige Zeit; aber als ich sah, daß es schlimmer wurde, bat ich die Tante, daß sie mich nach Lucca zurückführte, Sie verlor keine Zeit und ließ mich begleiten.

Aber, lieber Vater, der Gedanke an jene Monate, die ich in der Sünde verbracht, ließ mich erzittern; ich hatte Sünden aller Art getan: auch unreine Gedanken waren mir durch den Kopf gegangen; ich hatte schlechte Gespräche mit angehört, an statt zu fliehen; ich hatte der Tante Lügen gesagt, um meine Gefährtin zu decken;kurz, ich sah die Hölle vor mir geöffnet(44).

Tödliche Krankheit (1898-1899)
In Lucca angekommen, schleppte ich mich einige Zeit krank dahin; ich wollte durchaus nicht gehorchen und ich durch einen Arzt untersuchen lassen (weil ich niemals wollte, daß mich jemand anrührte und anschaute). Eines Abends kam der Arzt unversehens ins aus, untersuchte mich gewaltsam und stellte ein Geschwür im Körper fest: er befürchtete eine ernsthafte Sache, weil er glaubte, daß es mit den Nieren zusammenhänge.

Schon seit langer Zeit fühlte ich Schmerzen in dieser Gegend; aber von mir selbst aus wollte ich weder berühren noch anschauen; und zwar deshalb, weil ich als Kind in einer Predigt diese Worte gehört hatte: "Unser Körper ist ein Tempel des Heiligen Geistes." Diese Worte trafen mich, und soviel ich konnte, habe ich meinen Körper auf das peinlichste gehütet.

Nachdem mich der Arzt untersucht hatte, forderte er eine Behandlung. Welche Pein, lieber Vater, mich entblößen zu müssen! jedes mal, wenn ich den Arzt hörte, weinte ich. Nach der Behandlung ging es mir immer schlechter und ich war gezwungen, mich zu Bett zu legen und konnte mich gar nicht mehr bewegen. Man wandte alle Heilmittel an; aber anstatt mir zu helfen, verschlimmerten sie mein Leiden nur. Im Bett war ich ungeduldig und zur Plage von allen.

Am zweiten Tage, da ich zu Bett lag, fand ich keine Ruhe und ich schrieb an Monsignore: ich wollte ihn sehen. Er kam sogleich und ich legte eine Generalbeichte ab; nicht weil es mir gesundheitlich schlecht ging, sondern um den Frieden des Gewissens wiederzufinden, den ich verloren hatte. Nachdem ich gebeichtet hatte, fand ich den Frieden in Jesus wieder und als Zeichen dafür gab er mir noch am gleichen Abend aufs neue einen heftigen Schmerz über meine Sünden ein.

O, lieber Vater, und dann! Das Übel verschlimmerte sich immer mehr und die Ärzte entschlossen sich zu einer Operation (an der Körperstelle, die ich schon beschrieben habe). Sie kamen zu dritt (das, was ich an schmerzen litt, war nichts); schmerzlich und Peinvoll war nur, als ich mich in ihrer Gegenwart fast ganz umkleiden mußte ... lieber Vater ... wieviel besser wäre es gewesen zu sterben!... Endlich sahen die Ärzte ein, daß alle Behandlung umsonst war und gaben mich ganz auf; bloß von Zeit zu Zeit kamen sie ich möchte fast sagen, nur aus Höflichkeit.

Fast alle Ärzte erklärten diese Krankheit für Rückenmarkentzündung, nur einer bestand darauf, daß es Hysterie sei. Ich lag im Bett immer in derselben Lage; mir selbst war es unmöglich, mich zu bewegen; um zuweilen ein wenig Erleichterung zu haben mußte ich die Hausgenossen bitten, mir behilflich zu sein, bald einen Arm, bald ein Bein zu heben: sie waren sehr besorgt um mich, aber ich antwortete ihnen nur mit Unarten•ten und Widerreden(45).

Tröstung durch den Engel
Eines Abends war ich unruhiger als sonst und beklagte mich bei Jesus; ich sagte, ich würde nicht mehr beten, wenn er mich nicht gesund machte, und fragte Ihn, warum er mich so krank sein ließe(46) Der Engel antwortete mir in folgender Weise: "Wenn Jesus deinen Körper heimsucht, so tut er es, um immer mehr deinen Geist zu läutern. Sei brav!" O wie oft in meiner langen Krankheit ließ er mich in meinem Herzen Trostworte hören! Aber ich hielt mich niemals daran.

Der Grund, warum mich das Im Bett Liegen so betrübte, war, weil ich gewünscht hätte, das zu tun, was die andern taten: jeden Tag wäre ich gern zur Beichte gegangen, jeden Morgen zur Messe. Aber eines Morgens, als man mir die heilige Kommunion ins Haus gebracht hatte", ließ sich Jesus in mir deutlich vernehmen, machte mir heftige Vorwürfe und sagte, ich sei eine schwache Seele. "Es ist deine böse Eigenliebe, die sich getroffen fühlt, wenn du nicht tun kannst, was die anderntun - sagte er - und wenn du dich beschämt fühlst, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein; wenn du dir selbst abgestorben wärest, würdest du nicht so ungeduldig sein."

Diese Worte Jesus taten mir wohl, und für einige Zeit rar ich immer heiteren Geistes.

Der hl. Gabriel von der schmerzhaften Mutter Gottes
In dieser Zeit hielt die Familie Triduen und Novenen fürmeine Genesung ab und ließ sie abhalten; aber sie "reichte nichts. Ich selbst blieb gleichgültig; die Worte Jesus hatten mich gestärkt, aber nicht bekehrt.

Eines Tages brachte mir eine Dame, die mich gewöhnlich besuchen kam, ein Buch zum Lesen (das Leben des E. [=Ehrwürdigen] Gabriel-(48). Beinahe mit er Ächtung nahm ich es und legte es unter das Kopfssen. Die Dame bat, ich sollte mich Ihm empfehlen, aber ich dachte nicht daran. Im Hause begann man, den Abend zu ihm 3 V. G. E. [= Vater unser, Gegrü Bet, Ehre] zu beten.

Eines Tages war ich allein, es war Mittag vorbei: da überkam mich eine heftige Versuchung, und ich sprach eh zu mir, daß ich es satt habe und daß das Im Bett Liegen mir zum Überdruß geworden sei. Der -Teufel bediente sich dieser Gedanken und begann mich zu versuchen; er sagte, daß er mich heilen würde, wenn 1 ihm Gehör schenken wolle, und daß er alles tun wolle, was ich wünschen würde. Lieber Vater, ich war fast nahe daran nachzugeben; ich wurde unruhig und heilt mich für besiegt. Da auf einmal kam mir ein Gedanke: ich lief im Geiste zum E. G. [== Ehrwürdigen Gabriel] und sagte laut: "Zuerst die Seele, dann der Körper!"

Nichtsdestoweniger setzte der Teufel seine überaus heftigen Angriffe fort: tausend schlechte Gedanken blitzten mir durch den Kopf. Von neuem wandte ich mich an E. G., und mit seiner Hilfe siegte ich; ich fand mich wieder, machte das heilige Kreuzzeichen, und in einer Viertelstunde vereinigte ich mich aufs neue mit meinem Gott, den ich so sehr beleidigt hatte. Ich erinnere mich, daß ich am gleichen Abend das Leben des M. [= Mitbruders] Gabriel zu lesen begann. Ich las es mehrere Male: ich wurde nicht müde, es immer wieder zu lesen und seine Tugenden und Beispiele zu bewundern. Der Vorsätze waren viele, aber der Taten keine.

Von dem Tage an, da mein neuer Beschützer, der E. G. [= Ehrwürdiger Gabriel], meine Seele gerettet hatte, begann ich eine besondere Verehrung für ihn zu haben: abends konnte ich nicht einschlafen, wenn ich nicht sein Bild unter dem Kopfkissen hatte, und ich begann seit dieser Zeit ihn In meiner Nähe zu sehen (ich weiß mich hier nicht auszudrücken, lieber Vater: ich fühlte seine Gegenwart). Bei jeder Tat, bei Jeder schlechten Handlung, die ich getan hätte, kam mir M. [ = Mitbruder] Gabriel in den Sinn und ich enthielt mich. Es verging kein Tag, an dem ich nicht mit den Worten "Zuerst die Seele, dann der Körper" zu ihm betete.

Eines Tages kam dann die erwähnte Dame, um mir das Leben des Ehrwürdigen wieder fortzunehmen. Als ich es unter dem Kopfkissen hervorholte und es ihr gab, konnte ich mich der Tränen nicht enthalten. Da sie sah, daß ich es nur ungern hergab, versprach sie mir, daß sie wiederkommen wolle, es zu holen, wenn sie diejenige gefragt haben würde, die es ihr geliehen habe. Nach einigen Tagen kam sie zurück, aber ich mußte es ihr einend abliefern; das bereitete mir großen Schmerz.

Doch jener Heilige Gottes wollte mir rasch das eine Opfer vergelten, und in der Nacht erschien er mir im Traum, weiß gekleidet; lieber Vater, ich erkannte ihn nicht. Als er bemerkte, daß ich ihn nicht kannte, öffnete er das weiße Kleid und ließ mich das Passionisten-Ordenskleid sehen; da erkannte ich ihn gleich wieder. Ich verharrte im Schweigen vor ihm. Er fragte mich, warum ich geweint hätte, als man mir seine Lebensbeschreibung nahm: ich weiß nicht, was ich antwortete; aber er sagte mir: "Schau, wie angenehm mir dein Opfer war, so angenehm, daß ich selbst kam, dich zu sehen. Hast du mich gern?" Ich antwortete nicht. Er liebkoste mich mehrere Male und wiederholte: Sei brav, damit ich wieder komme, dich zu sehen." Er ließ mich sein Kleid küssen und die Krone und ging dann.

Die Phantasie begann nun zu arbeiten. Ich wartete mit Freude auf den nächsten Besuch: aber er kam erst nach soundso vielen Monaten.

Was dann geschah! Es war vor dem Fest der Unbefleckten. Empfängnis; in jener Zeit kamen Barbantininen, Karitasschwestern, um mich zu pflegen und zu kleiden; unter ihnen kam auch oft eine, die noch nicht [als Schwester] eingekleidet war; man kleidete sie erst nach zwei Jahren ein, weil sie noch jung war. Am Vorabend des Festes kamen, wie gewöhnlich, diese Schwestern, und da hatte ich eine Eingebung: Wenn ich morgen - dachte Ich mir - am Feste meiner Himmelsmutter ihr verspräche, daß ich Karitasschwester werden würde, wenn sie mich gesund werden liebe, wie wäre das? ..

Dieser Gedanke tröstete mich; ich teilte ihn der Schwester Leonilda mit und diese versprach mir: wenn ich geheilt wäre, würde sie mich zusammen mit Jener Novizin, von der ich gesprochen habe, einkleiden lassen. Wir einigten uns, daß ich am Morgen nach der Kommunion Jesus mein Versprechen ablegen sollte. Es kam Monsignore, um meine Beicht zu hören; ich erhielt sofort seine Erlaubnis. überdies gab er mir noch eine andere Tröstung: das Gelübde der Jungfräulichkeit, das ich nie durchgesetzt hatte; Jetzt legten wir es am gleichen Abend gemeinsam und auf ewig ab. Er erneuerte es und ich machte es für das erste und letzte Mal. Welch große Gnaden, denen ich nie recht entsprochen habe!

Ich befand mich an diesem Abend in einer vollkommenen Seelenruhe. Es kam die Nacht, ich schlief ein. Plötzlich sah ich mir zu Füßen meinen Beschützer stehen, er sagte: "Gemma, lege nur freiwillig das Gelübde ab, Nonne zu werden, aber füge nichts hinzu." "Warum?" fragte ich. Und er antwortete, indem er mir liebevoll die Stirne berührte: "Meine Schwester!" sagte er mir, schaute mich an und lächelte. Ich begriff nichts davon; zum Dank küßte ich ihm das Ordenskleid; er nahm das Herz, das von Holz r das die Passionisten auf der Brust tragen 1, ließ es mich küssen und legte es mir über die Bettdecken auf die Brust und wiederholte von neuem: "Meine Schwester!" Dann verschwand er.

Am Morgen fand ich nichts auf den Bettdecken; ich empfing frühzeitig die Kommunion und legte dabei das Versprechen ab, aber ohne etwas hinzuzufügen. Davon sprach ich weder mit den Schwestern noch mit dem Beichtvater; später aber erinnerten mich die Schwestern sehr oft an mein Gelöbnis, weil sie glaubten, ich hätte versprochen, Karitasschwester zu werden, und sagten mir einmal, daß die Madonna mich von neueren krank werden lassen könne. - Jesus nahm dies alles gnädig auf und freute sich in meinem armen Herzen.

Wunderbare Heilung (3. März 1899)
Inzwischen vergingen die Monate, aber mein Zustand .besserte sich durchaus nicht. Am 4. Jänner machten die Ärzte einen letzten Versuch: sie setzten mir zwölf .Brennsfifte an die Nieren. Genug, es wurde noch holechter. Und zu diesen Leiden kam am 28. Jänner noch unerträglicher Kopfschmerz. Der herbeigerufene 'Arzt erklärte das Übel für gefährlich (es handelte sich n ein Geschwür im Kopf); eine Operation konnte nicht vorgenommen werden, da ich äußerst schwach war: es ging jeden Tag schlechter, und am 2. Februar empfing ich die heilige Kommunion als Wegzehrung. Ich beichtete und erwartete den Augenblick, zu Jesus .gehen zu können. Doch Gemach! Die Ärzte, die glaubten, ich könne nichts mehr hören, sagten unter eh, daß ich Mitternacht nicht erleben würde. Es lebe Jesus!

Eine meiner Lehrerinnen von der Schule (von der ich schon früher gesprochen habe-(49) kam, um mich zu sehen und zugleich um Abschied zu nehmen und mir auf Wiedersehen im Himmel zu sagen. Sie bat mich er, doch noch eine Novene zur S. M. M. A. [= Selige Margarete Maria Alacoque] zu halten, von der sie sagte, daß diese ohne Zweifel mir die Gnade erwirken wurde, entweder vollkommen zu genesen oder gleich nach dem Tode in den Himmel zu fliegen.

Die Lehrerin wollte, ehe sie ging und sich von meinem Kopfkissen entfernte, daß ich ihr versprach, noch am Eichen Abend mit der Novene zu beginnen; es war der 18. Februar; ich begann in der Tat und machte die Novene am gleichen Abend zum ersten Male; aber am Tage darauf vergaß ich sie. Am 20. begann ich sie von neuem, aber vergaß sie dann wiederum. Welche Aufmerksamkeit beim Gebet, nicht wahr, lieber Vater?

Am 23. fing ich zum dritten Male an (das heißt, ich hatte die Absicht, es zu tun); aber es fehlten nur noch wenige Augenblicke bis Mitternacht; da fühle ich eine Krone sich hin und her bewegen und fühle eine Hand sich auf meine Stirne legen; ich hörte, wie neunmal hintereinander ein Vater unser, Gegrüßt und Ehre gebetet wurden. Ich konnte kaum antworten, weil ich von der Krankheit ganz erschöpft war. Die gleiche Stimme, die » Vater unser« vorgebetet hatte, fragte mich dann: .Willst du genesen?" "Es ist mir gleich", antwortete ich. "Ja - setzte sie hinzu - du wirst genesen; bitte voller Vertrauen das Herz Jesus: jeden Abend, solange die Novene nicht beendet sein wird, werde ich hierher zu dir kommen, und wir werden gemeinsam das Herz Jesus bitten." "Sind Sie die S. M. [ = Selige Margarete]?" fragte ich sie. "Füge nur drei »Ehre« zu ihren Ehren hinzu."

So tat ich an neun aufeinanderfolgen den Abenden; jeden Abend kam die gleiche Erscheinung, legte mir die Hand auf die Stirn, und wir beteten gemeinsam die »Vater unser« zum Herzen Jesus, und dann ließ sie mich noch drei»Ehre« für die S. M. hinzufügen?"(50).

Es war der vorletzte Tag der Novene, und nach ihrer Beendigung wollte ich die heiligste Kommunion empfangen; die Novene endete gerade am ersten Freitag des März. Ich ließ den Beichtvater rufen und beichtete; in der Frühe empfing ich die Kommunion. Welch glückliche Augenblicke verbrachte ich mit Jesus! Er wiederholte: "Gemma, willst du genesen?" Meine Erregung war so groß, daß ich nicht antworten konnte. Armer Jesus! Die Gnade ward vollbracht, ich war geheilt(51).

Zärtlichkeiten Jesus(52)
"Tochter - sagte mir Jesus und umarmte mich ich gebe mich dir ganz, wirst du auch ganz die meine sein?" Ich sah wohl, daß Jesus mir die Eltern genommen hatte und daß er mich zuweilen in Schrecken versetzt hatte; deshalb glaubte ich verlassen zu sein. An jenem Morgen beklagte ich mich darüber, und Jesus, immer gütig, immer zart, wiederholte mir: "Ich, Tochter, werde immer bei dir sein. Ich bin dein Vater, deine Mutter wird jene sein ... und zeigte mir die H. M. [= Heiligste Maria], die Schmerzhafte. - Niemals kann väterlicher Schutz dem fehlen, der in meinen Händen sich befindet; nichts also wird dir fehlen, obschon ich dir allen Trost und Stütze hier auf Erden genommen habe. Komm, komm näher... sei meine Tochter. .. Bist du nicht glücklich, die Tochter von Jesus und Maria zu sein?" Die übergroße Liebeserregung, die Jesus mir im Herzen entfachte, hinderte mich zu antworten.

Es vergingen kaum zwei Stunden(53) und ich stand auf. Die Hausgenossen weinten vor Freude; auch ich war zufrieden, nicht wegen der wiedererlangten Gesundheit sondern weil Jesus mich zu seiner Tochter erwählt hatte. Ehe Jesus mich diesen Morgen verließ, sagte er mir: "Meine Tochter, auf die Gnade, die ich dir heute gegeben habe, werden noch viel größere folgen." Und leider ist es wahr gewesen, obschon Jesus mich Immer In besonderer Weise begnadet hat, habe ich doch für Ihn. nur Kälte und Gleichgültigkeit gezeigt, und Er hat mir vergolten mit unendlichen Zeichen der Liebe.

Eucharistischer Hunger
Von dieser Zeit an begann ich es nicht mehr auszuhalten, wenn .ich nicht jeden Morgen zu Jesus gehen konnte; aber Ich konnte nicht: zwar hatte ich die Erlaubnis des Beichtvaters, aber meine Schwäche war so groß, daß ich mich kaum auf den Füßen halten konnte. Am zweiten Freitag des März 1899 ging ich zum ersten Male aus, die heiligste Kommunion zu empfangen, und von da ab habe ich sie nicht mehr unterlassen; nur einige Male, weil meine so zroßen Sünden mich ihrer unwürdig machten oder aus Strafe von Seiten des Beichtvaters selbst.

Bei den Salesianerinnen
An dem gleichen zweiten Freitag wollten die Salesianer-Nonnenmich sehen; ich ging in der Tat zu ihnen und sie versprachen mir, daß sie im Monat Mai mich zu sich nehmen würden, um Exerzitien mitzumachen, und im Monat Juni dann, wenn es mein Wunsch und wirklich meine Berufung wäre, mich für immer ins Kloster aufnehmen wollten. Ja, ich war zufrieden mit dieser von ihnen getroffenen Wahl, um so mehr, als ich wußte, daß Monsignore ganz mit ihnen übereinstimmte.

Karwoche 1899
Ich verbrachte inzwischen den Monat März, empfing jeden Morgen die Kommunion, und Jesus erfüllte mich mit unaussprechlichen Tröstungen(54). Es kam dann die heilige Karwoche, die ich so sehr herbeigesehnt hatte, um den heiligen Handlungen beizuwohnen; aber Jesus hatte es ganz anders vorgesehen: in dieser Woche wollte Jesus ein großes Opfer von mir. Es kam der Karomittwoch (kein Anzeichen zeigte sich in mir, außer daß Jesus, als ich die heilige Kommunion empfing, sich mir in großartigster Weise mitteilte).

Der Schutzengel, Lehrer und Führer
Der Schutzengel begann von dem Augenblick an, da ich aufstand, mein Lehrer und Führer zu sein: er wies mich jedesmal zurecht, wenn ich etwas schlecht gemacht hatte, und er lehrte mich, wenig zu sprechen und nur, wenn ich gefragt würde. Einmal, als die Hausgenossen von einer Person sprachen, und zwar nicht allzuviel Gutes, wollte ich mich einmischen, aber der Engel machte mir sehr heftige Vorwürfe. Er belehrte mich die Augen niedergeschlagen zu halten, und sogar in de; Kirche tadelte er mich heftig, indem er sagte: "Beträgt man sich so in der Gegenwart Gottes?" Und andere Male schalt er mich auf folgende Weise: "Wenn du nicht brav bist, so werde ich mich nicht mehr vor dir sehen lassen." Oft belehrte er mich, wie ich mich in der Gegenwart Gottes verhalten müsse: ihn anzubieten in seiner unendlichen Güte, in seiner unendlichen Majestät, in seiner Barrnherzrgkelt und in allen seinen Eigenschaften.

Die erste Heilige Stunde - Jesus der Gekreuzigte
Wir befanden uns, wie schon gesagt, in der Karwoch:; es war Mittwoch; der Beichtvater glaubte wohl, daß Ich am Ende die Generalbeichte machen würde wonach ich seit langer Zeit verlangt hatte; er wählte gerade jenen Mittwoch, und zwar den späten Abend. Jesus in seiner unendlichen Barmherzigkeit gab mir einen sehr großen Schmerz über meine Sünden ein und das in folgender Weise. Am Donnerstagabend begann ich zum ersten Male die Heilige Stunde zu halten (ich hatte dem Herzen ]Jesu versprochen daß wenn ich geheilt würde, ich jeden Donnerstag unwiderruflieh die Heilige Stunde halten würde'(55) . Es war das erste Mal, daß ich sie betete, nachdem ich aufgestanden war; auchan den anderen Donnerstagen hatte ich sie gehalten, aber im Bett, weil sie der Beichtvater mir nicht anders erlaubte wegen meiner großen Schwäche. Aber seit der Beicht erlaubte er mir alles.

Ich schickte mich also an, die Heilige Stunde zu halten; aber ich fühlte mich so erfüllt vom Schmerz über meine Sünden, daß ich tagelang ein dauerndes Martyrium durchlebte. Doch inmitten dieses großen Schmerzes blieb mir eine Hilfe: die zu weinen: Hilfe und Trost zugleich. Ich brachte die ganze Stunde mit Beten und Weinen zu; endlich setzte ich mich, da ich so müde war; der Schmerz blieb. Kurz darauf fühlte ich mich ganz in mir gesammelt, und wieder wenig später, fast in einem Augenblick, schwanden mir die Kräfte (ich konnte mich noch gerade mühsam erheben und die Türen der Kammer abschließen). Wo befand ich mich? Lieber Vater, ich befand mich vor Jesus, dem eben Gekreuzigten. Er vergoß sein Blut aus allen Teilen des Körpers. Ich schlug sogleich die Augen nieder, dieser Anblick verwirrte mich; ich machte das heilige Kreuzzeichen; auf die Verwirrung folgte bald die Ruhe des Geistes(56), Aber ich fühlte auch weiterhin und sogar noch stärker die Schmerzen der Sünden; ich erhob niemals die Augen, um Jesus anzuschauen: ich hatte durchaus nicht den Mut dazu; ich warf mich zur Erde aufs Angesicht, und so verharrte ich für mehrere Stunden. "Tochter - sagte er mir - schau: alle diese Wunden hattest du geöffnet durch deine Sünden; aber jetzt tröste dich, denn durch deinen Schmerz hast du sie alle wieder geschlossen. Beleidige mich nicht mehr. Liebe mich, wie ich dich immer geliebt habe. Liebe mich", wiederholte er mehrere Male.

Dieser Traum verschwand und ich kam wieder zu mir: ich begann von da ab eine große Abscheu vor der Sünde zu haben (die größte Gnade, die mir Jesus gegeben hat). Die Wunden Jesus blieben mir so lebendig im Geiste, daß sie nicht mehr ausgelöscht wurden.


Karfreitag (31. März 1899)
Am Morgen des Karfreitags empfing ich die Kommunion(57) und am Tage wollte ich zu den Todesstunden(58) gehen; aber die Hausgenossen wollten es mir nicht erlauben, obwohl ich weinte; so mußte ich dieses erste Opfer Jesus bringen; und Jesus in seiner Großmut wollte es mir, obwohl es nur mit Mühe gebracht war, belohnen; ich schloß mich in die Kammer ein, um für mich allein zu feiern, aber ich war nicht allein: es kam mein Schutzengel zu mir und wir beteten gemeinsam; wir standen [Jesus in allen seinen Leiden bei und litten mit seiner Mutter alle ihre Schmerzen. Aber mein Engel verfehlte auch nicht, mir einen sanften Vorwurf zu machen: ich sollte nicht weinen, wenn ich Jesus ein Opfer zu bringen habe, sondern vielmehr denen danken, die mir dazu Gelegenheit geben.

Es war das erste Mal und der erste Freitag, da sich Jesus meiner Seele so fühlbar mitteilte; und obwohl ich Jesus nicht aus der Hand der Priester empfing, weil es unmöglich war, so kam doch Jesus von sich aus und kommunizierte sich mir. Und so innig war unsere Vereinigung, daß ich wie betäubt blieb.

Doch Jesus sprach laut zu mir: "Was machst du? - sagte er mir - was hast du mir zu sagen? Bist du nicht einmal bewegt?" Da konnte ich nicht länger an mich halten und mußte antworten: "Aber wie, O Jesus: du, der Vollkommenste und Heiligste, hast du niemanden anderen zum Lieben als den, der für dich nur Kälte und Unvollkommenheit hat?" "Ich begehre heiß wiederholte Jesus - mich mit dir zu vereinigen; komme jeden Morgen. Aber wisse - sagte er mir ich bin ein eifersüchtiger Vater und Bräutigam; wirst du mir eine treue Tochter und Braut sein?"

Tausend Versprechungen machte ich Jesus an diesem Morgen; aber mein Gott! Wie bald vergaß ich sie! Den Abscheu vor der Sünde erlebte ich immer wieder; aber ich beging auch immer wieder welche. Und Jesus, nein, er war nicht zufrieden; [aber] er tröstete mich immer und schickte mir den Schutzengel, damit er in allem mein Führer sei.

Nach diesen Vorfällen hätte ich sie fürs erste dem Beichtvater offenbaren sollen; ich ging auch zur Beichte, aber ich hatte nicht den Mut: und ohne etwas zu sagen, ging ich wieder fort.(59) Ich kam nach Hause, und beim Eintritt in die Kammer bemerkte ich, daß mein Engel weinte; ich wagte nicht, ihn zu fragen; da sagte er von sich aus: "Du willst mich also nicht mehr sehen? Du bist bös: verbirgst dem Beichtvater etwas. Bedenke - sagte er - ich wiederhole es dir zum letzten Male: wenn du noch einmal dem Beichtvater etwas verschweigst, so werde ich dir nicht mehr erscheinen, niemals mehr." Ich kniete nieder und er befahl mir, einen Akt der Reue zu erwecken, und ließ mich versprechen, daß ich alles [dem Beichtvater] offenbaren würde; dann verzieh er mir im Namen Jesus.

Eine strenge Zurechtweisung Jesu
Wir befanden uns jetzt im Monat April; mit Ungeduld erwartete ich den Augenblick, da ich zu den Salesianerinnen gehen konnte, um die Exerzitien zu machen, die sie mir schon versprochen hatten. Einmal, oder vielmehr eines Morgens nach der Kommunion, sprach mir Jesus von etwas, was ihm sehr mißfallen hatte: ich hatte es am Abend verbrochen.

Es waren, wie gewöhnlich, zwei Freundinnen der einen meiner Schwestern ins Haus gekommen; und man hatte nicht gerade von schlechten, aber von weltlichen Dingen gesprochen; ich beteiligte mich dabei und sprach wie die anderen; aber am Morgen machte mir Jesus so heftige Vorwürfe darüber und ich war darüber so bestürzt, daß ich gewünscht hätte, überhaupt nicht mehr zu sprechen und niemanden mehr zu sehen.

Jesus fuhr inzwischen fort, sich jeden Tag meiner Seele fühlbarer mitzuteilen und mich mit Tröstungen zu erfüllen; ich aber kehrte ihm den Rücken und beleidigte ihn, ohne Schmerz darüber zu empfinden.

Durst nach Liebe und Leiden
Zwei Gefühle und zwei Gedanken keimten gleichzeitig in meinem Herzen auf, nachdem Jesus sich zum ersten Male mir mitgeteilt und mich sein Blut hatte fließen sehen. Der erste war, ihn zu lieben und zu lieben bis zum Opfer; aber da ich nicht wußte, wie man ihn in Wirklichkeit lieben sollte, bat ich meinen Beichtvater um Belehrung, und er antwortete mir so: "Was macht man um zu lesen und zu schreiben? Man übt sich unablässig im Schreiben und Lesen, bis man es lernt." Diese Antwort überzeugte mich nicht; ich begriff sie durchaus nicht. Mehrmals bat ich ihn um Belehrung, aber er hatte nur immer die gleiche. Antwort.

Das zweite, das mir in meinem Herzen aufging, nachdem ich Jesus gesehen hatte, war eine große Sehnsucht etwas für ihn zu leiden, da ich sah, wieviel er für uns gelitten hatte. Ich begann damals mir einen großen Strick zu beschaffen, den ich unbemerkt vom Brunnen nahm; ich machte einige Knoten hinein und band ihn mir um. Doch ich hatte ihn kaum eine Viertelstunde getragen, als mein Schutzengel scheltend ihn mich wieder ablegen ließ, weil ich den Beichtvater nicht um Erlaubnis gefragt hatte; ich bat ihn wenig später darum und erhielt sie auch. Aber das,. was mich betrübte, war, daß ich Jesus nicht so heben konnte wie ich gewollt hätte; ich gab mir Mühe, ihn nicht zu beleidigen, aber meine böse Neigung zum Schlechten war [so] groß, daß ich ohne eine besondere Gnade Gottes in die Hölle gestürzt wäre.

"Lerne, wie man liebt"
Ich machte mir Gedanken darüber, daß ich nicht zu lieben verstand; aber + Jesus in seiner unendlichen .Güte scheute sich nicht, sich zu meinem Lehrer zu erniedrigen, um mich zu beruhigen - eines Tages, :zur Zeit des Abendgebetes, fühlte ich mich ganz innerlich gesammelt und fand mich zum zweiten Male vor Jesus dem Gekreuzigten, der zu mir folgende Worte sprach:
"Schau, Tochter, und lerne, wie man liebt", und er zeigte mir seine fünf geöffneten Wunden. "Siehst du dieses Herz, diese Dornen, diese Nägel, diese Striemen, diese Risse, diese Wunden, dieses Blut? Sie sind alle Werke der Liebe, und zwar einer unendlichen Liebe. Siehst du, wie sehr ich dich geliebt habe? Willst du mich auch in Wahrheit lieben? Lerne zuerst, zu leiden. Leiden lehrt lieben."

Bei diesem Anblick empfand ich neuen Schmerz, und bei dem Gedanken an die unendliche Liebe Jesus zu uns und an die Leiden, die er für unser Heil gelitten, wurde ich ohnmächtig(60) fiel zu Boden und kam erst nach einigen Stunden wieder zu mir. Alles, was sich während dieser Gebete ereignete, waren überaus große Tröstungen für mich, die niemals ermüdend für mich gewesen wären, auch wenn sie mehrere Stunden gedauert hätten.

Jeden Donnerstag wiederholte ich die Heilige Stunde, aber manchmal dauerte sie auch bis zu zwei Stunden, weil ich bei Jesus war und fast immer teilnahm an der Trauer, die er im Garten beim Anblick so vieler Sünden von mir und der ganzen Welt empfunden hatte, einer Traurigkeit, die man gut einem Todesringen vergleichen kann. - Nach alldem blieb ich in einer so süßen Ruhe und Freude, daß ich mich in Tränen ergießen mußte, und diese Tränen ließen mich eine unbegreiflich große Liebe verkosten und vermehrten in mir die Sehnsucht, Jesus zu lieben und für Ihn zu leiden.

Im Kloster der Salesianerinnen
Inzwischen kam die ersehnte Zeit der Exerzitien und ich gingins Kloster am 1. Mai 1899, um 3 Uhr. Ich glaubte ins Paradies zu kommen. Welche Freuden! Fürs erste verbot ich den Hausgenossen, mich in dieser Zeit zu besuchen, weil diese Tage ganz Jesus gehören sollten. Monsignore kam noch am Abend meiner Ankunft und gab mir auf Bitten der Mutter Oberin die Erlaubnis, daß ich die Exerzitien nicht allein für mich, sondern, wie zur Probe, in allem mit den Nonnen gemeinsam machen sollte. Das freute mich einerseits, aber ich bedauerte es auch, weil ich nun nicht so gesammelt sein konnte; doch ich wollte ohne Widerrede gehorchen. Die Mutter Oberin wies mich an die Novizenmeisterin, die mir einen Tagesplan gab, an den ich mich halten sollte(61).

Ich mußte um 5 Uhr aufstehen, um halb 6 in den Chor gehen, die Kommunion empfangen und dann mit den Nonnen Prim und Sext beten; dann zum Frühstück und nach einer halben Stunde in die Zelle; um 9 Uhr wieder in den Chor, um die Kommunitätsmesse zu hören und die Non zu beten; um halb 10 sollte mir Monsignore, wenn es ihm möglich wäre, einen kleinen Vortrag halten; aber für den Fall, daß er nicht kommen könne, gab er mir ein Buch, damit ich daraus zu jener Stunde eine Betrachtung machen könne, und er kam dann am Abend, um mir einiges zu erklären. Um 101,4 endete die Betrachtung, ich mußte mit den Nonnen einen Besuch bei Jesus machen, und dann um halb 11 Mittagessen bis halb 12; von da bis halb 1 Erholungs Stunde (doch erlangte ich von Monsignore, daß ich nur einmal am Tage zusammen mit den Nonnen Erholung machte, weil ich am Abend lieber mit Jesus im Chor war). Um halb I ging ich dann ins Noviziat bis 3 Uhr, wo gearbeitet wurde; um 3 von neuem Chorgebet, Vesper; und dann versammelte sich wieder die ganze Kommunität und die Oberin gab einige Unterweisungen bis 5 Uhr. Um 5 aufs neue in die Kirche für die Komplet und eine Stunde Betrachtung, wie es uns am besten gefiel; nach der Betrachtung von neuem in den Speisesaal und zur Erholung, welche Zeit ich entweder mit der Mutter Oberin auf ihrem Zimmer oder im Chor verbrachte. Nach halb 9 versammelte sich die Kommunität für etwa eine halbe Stunde, um 9 Uhr betete man die Matutin und dann ins Bett.

Lieber Vater, mir schien dieses Leben allzu(62) für die Nonnen zu sein, und an statt, daß ich es liebgewonnen hätte, vermochte ich im Gegenteil in keiner Weise Gefallen daran zu finden. Die Novizinnen, die alle eine besondere Fürsorge für mich zeigten, machten mich dann und wann auf Dinge aufmerksam, die der Kommunität gefallen könnten; aber ich dachte nicht an dergleichen; mich betrübte, daß ich wieder in die Welt zurückkehren sollte; und obwohl ich mich hier gar nicht begeistert fühlte, hätte ich es doch vorgezogen da zu bleiben, als von neuem an die Stätten zurückzukehren, wo die Gelegenheiten, Jesus zu beleidigen, so zahlreich waren; ich bat daher Monsignore, mir die Erlaubnis zu geben, nicht mehr aus dem Kloster fortgehen zu müssen.

Mit Einwilligung der Mutter Oberin und der ganzen Kommunität erbat er die Erlaubnis vom Erzbischof(63); doch dieser verweigerte sie mit der Begründung, daß ich noch von zu schwächlicher Gesundheit sei und weil ich einen eisernen Brustkorb trug, um mich bessergerade zu halten. (Ich weiß wirklich nicht, wer die Angeberin beim Erzbischof gemacht hat.) Die Mutter Oberin gab mir dann unter dem Gehorsam den Befehl, den Brustkorb abzulegen; ich weinte auf diesen Befehl hin, weil ich gut wußte, daß ich mich nicht aufrecht halten konnte; ich lief ins Noviziat, betete zu meinem lieben Jesuskind und ging dann in die Kammer; ich legte ihn ab - und jetzt sind es schon zwei Jahre her, daß ich ihn nicht wieder anlegte, und ich fühle mich glänzend.

Die Oberin, sobald sie es erfahren, beeilte sich sogleich Monsignore zu benachrichtigen, und dieser teilte es dem Erzbischof mit. Es war am vorletzten Tage der Exerzitien; Monsignore kam, um mich Beicht zu hören, und fragte, ob ich noch für zwölf Tage im Kloster bleiben wolle, weil am 21. Mai die Gelübdeablegung von einigen Schwestern sein solle und ich gewünscht hätte, daran teilzunehmen.

Ich war überaus zufrieden, noch bei ihnen bleiben zu können, aber ein Gedanke ging mir ständig durch den Kopf: dieses Leben war zu bequem für mich; ich hatte noch so viele Sünden abzubüßen. Ich teilte meine Befürchtungen nach der Kommunion Jesus mit, und Jesus, der niemals meine Armseligkeit ansah, tröstete mich, teilte sich immer fühlbarer meiner Seele mit und beruhigte mich stets mit tröstenden Worten. Ich wohnte auf Wunsch von Monsignore der Gelübdeablegung der vier Novizinnen bei und weinte und weinte so sehr an diesem Morgen. Jesus teilte sich mir inniger als gewöhnlich mit. Einige Schwestern, die mich gesehen hatten, näherten sich mir und fragten, ob ich etwas wünsche, weil ich nahe daran war, ohnmächtig zu werden. (Es war wahr: die Schwestern hatten vergessen, mir Frühstück zu geben, und sie vergaßen auch noch, mir Mittagessen zu geben: an diesem Tage aß ich erst nach 1 Uhr.)

Ich bekam aber eine schöne Schelte, wie ich sie verdiente; denn ich hätte von selbst in den Speisesaal gehen müssen, nachdem es geläutet hatte; aber ich scheute mich oder (höre, lieber Vater, wohin es mit meiner Schlechtigkeit und Menschenfurcht gekommen war) - die Mutter Oberin pflegte mich immer an ihre Seite zu nehmen, wo ich auch saß; aber am Tage der Gelübdeablegung saßen die Schwestern, welche die Gelübde abgelegt hatten, an der Seite der Mutter Oberin, so daß ich abseits sitzen mußte; und aus Stolz, nicht neben anderen sitzen zu müssen, ging ich nicht zum Essen.(64).

Ich verdiente Schlimmes, mein Gott! Aber Jesus ertrug mich noch weiter; er strafte mich, indem er sich für einige Tage von mir fernhielt. Ich weinte so sehr darüber; aber Jesus sandte mir von neuem meinen Schutzengel und sagte mir: "Glücklich bist du, Tochter, die du so gerechte Strafe verdienst! ... " Ich begriff diese Worte nicht, aber ich fühlte, daß sie mein Herz trösteten.

Rückkehr in die Familie. Sehnsucht nach dem Kloster und getäuschte Hoffnungen Mein Gott! Es kam ein neuer Schmerz: am folgenden Tage sollte ich das Kloster verlassen, um nach Hause zurückzukehren; ich hätte gewünscht, daß dieser Augenblick niemals gekommen wäre, aber er kam leider doch. Um 5 Uhr nachmittags, am 21. Mai 1899, mußte ich fortgehen; ich erbat weinend von der Oberin den Segen, verabschiedete mich von den Schwestern und gingfort. Mein Gott! Welcher Schmerz!

Aber auf diesen Schmerz sollte bald ein anderer, noch größerer folgen. Ich kehrte in die Familie zurück, aber ich konnte mich nicht mehr eingewöhnen: mein Sinnen und Trachten war schon ganz fest darauf gerichtet, Nonne zu werden, und niemand konnte mich mehr davon abbringen; um der Welt zu entgehen, beschloß ich nunmehr fest, Salesianerin zu werden. Fast jeden Tag lief ich ins Kloster; die Schwestern hatten mir ja versprochen, daß sie mich im Juni, am Feste des heiligsten Herzens Jesus, ganz zu sich nehmen wollten.

Ich muß aber sagen, daß sich mein Herz nicht ganz befriedigt fühlte: immer deswegen, weil das Leben der Salesianerinnen allzu bequem ist. Und mehrere Male wiederholte Jesus dann und wann in meinem Herzen: „Tochter für dich wünsche ich eine strengere Regel." Diesen Worten gab ich fast niemals Gehör und verharrte fest auf meinem Vorsatz.

Inzwischen kam der Juni und ich bemerkte, daß die Schwestern etwas verändert waren; ich ließ mich dadurch nicht verwirren: jedesmal, wenn ich die Oberin sprechen wollte, antworteten sie mir, daß sie nicht könnte und daß sie mir bald die eine, bald die andere schickte; und sie begannen Gerede zu machen und sagten, daß, wenn nicht wenigstens vier ärztliche Zeugnisse vorlägen, sie mich nicht aufnehmen würden. Ich versuchte auch das, aber jeder Versuch schlug fehl: die Ärzte wollten nichts bezeugen, und eines Tages sagten mir die Schwestern, daß sie mich sofort aufnehmen würden, sobald ich die Zeugnisse hätte, sonst aber durchaus nicht. Diese Entscheidung verwirrte mich nicht, weil Jesus nicht verfehlte, mich mit sehr großen Gnaden zu trösten.

Eine ganz große Gnade: die Stigmata
Am 8. Juni,(65) nach der Kommunion, zeigte mir Jesus an, daß er mir am Abend eine ganz große Gnade mitteilen würde, Ich ging dann am gleichen Tage zur Beicht und sagte es Monsignore; er antwortete, ich sol1e gut achtgeben, um ihm nachher alles berichten zu können.

Es war am Abend: ganz plötzlich und viel früher als gewöhnlich fühlte ich einen innerlichen Schmerz über meine Sünden; so stark, wie ich ihn nicht mehr gefühlt habe; dieser Schmerz brachte mich sozusagen auf der Stel1e zum Sterben." Danach fühlte ich, wie alle meine Seelenkräfte sich sammelten: der Verstand sah nur meine Sünden und die Beleidigung Gottes; das Gedächtnis erinnerte sich an all das und ließ mich alle Leiden sehen, die Jesus für mein Heil gelitten hatte; der Wille ließ mich alles verabscheuen und versprechen, alles leiden zu wollen, um es zu sühnen. Ein Haufen von Gedanken ging mir durch den Kopf: es waren Gedanken des Schmerzes, der Liebe, der Furcht, der Hoffnung und der Stärkung.

Auf die innerliche Sammlung folgte sehr bald die Verzückung der Sinne, und ich befand mich vor meiner himmlischen Mutter, die zu ihrer Rechten meinen Schutzengel hatte; er befahl mir zuallererst, einen Akt der Reue zu erwecken. Danach wendete sich die Mutter an mich mit folgenden Worten: .Tochter, im Namen Jesus sind dir alle Sünden vergeben." Dann fügte sie hinzu: ,,Jesus, mein Sohn, liebt dich sehr und will dir eine Gnade schenken; weißt du dich ihrer würdig zu erweisen?" Meine Armseligkeit wußte nicht was antworten. Sie fügte noch hinzu: "Ich werde dir Mutter sein, wirst du mir eine wahre Tochter sein?" Sie öffnete den Mantel und bedeckte mich mit ihm.

In diesem Augenblick erschien Jesus, dessen Wunden alle geöffnet waren; aber es Floß kein Blut mehr aus diesen Wunden, sondern es gingen gleichsam Feuerflammen aus ihnen hervor; und diese Flammen berührten für einen Augenblick meine Hände, meine Füße und das Herz. Ich fühlte mich sterben und wäre zur Erde gestürzt; aber die Mutter stutzte mich, immer unter ihrem Mantel. Für einige Stunden mußte ich in dieser Stellung bleiben. Dann küßte meine Mutter mich auf die Stirn und alles verschwand; ich fand mich knieend auf der Erde, aber ich fühlte noch einen heftigen Schmerz in den Händen, den Füßen und arn Herzen.

Ich erhob mich, um zu Bett zu gehen, und bemerkte, daß aus den Körperteilen, in denen ich Schmerz fühlte, Blut floß. Ich bedeckte sie so gut wie möglich und konnte dann, unterstützt von meinem Engel, ins Bett gehen. Diese ppeinvollen Schmerzen verursachten mir aber keine Betrübnis, sondern einen vollkommenen Frieden. Am Morgen konnte ich nur mit Mühe zur Kommunion gehen und zog mir ein Paar Handschuhe an, um möglichst die Hände zu verbergen. Ich konnte mich nicht auf den Füßen halten; jeden Augenblick glaubte ich zu sterben. Diese Schmerzen dauerten bis zum Frei tag, 3 Uhr nachmittags, Hochfest des heiligsten Herzens Jesus.(67)

Diese Vorfälle hätte ich zu allererst dem Beichtvater berichten sollen; aber statt dessen ging ich mehrere Male zur Beicht, ohne ihm etwas zu sagen; mehrmals fragte er mich danach, aber ich antwortete immer verneinend.

Die Stigmata wiederholen sich
Inzwischen verging einige Zeit und jeden Donnerstag gegen 8 Uhr oder früher empfand ich die gewohnten Schmerzen; jedesmal aber, wenn das eintrat, fühlte ich vorher einen so starken und innerlichen Schmerz über meine Sünden, daß er mir viel größere Pein verursachte als die Schmerzen der Hände, Füße, des Kopfes und des Herzens; dieser Sündenschmerz brachte mich in einen Zustand der Todestraurigkeit. Aber auch unter dieser großen Gnade Gottes besserte ich mich ganz und gar nicht, jeden Tag beging ich Sünden ohne Zahl, Sünden des Ungehorsams: niemals war ich dem Beichtvater gegenüber aufrichtig und immer verbarg ich ihm etwas.(68) Der Engel drohte mir mehrmals, er würde weggehen und mir nicht mehr erscheinen, wenn ich so fortführe; aber ich gehorchte nicht, und so ging er fort oder verbarg sich für einige Zeit.

Brennendes Verlangen nach dem Kloster Tröstungen und Zurechtweisungen Jesu
In dieser Zeit aber wuchs meine Sehnsucht, Nonne zu werden, noch immer mehr; ich eröffnete es dem Beichtvater, der mir jedoch fast immer wenig tröstende Antworten gab; so schüttete ich mein Herz bei Jesus aus, und eines Morgens, als jene Sehnsucht stärker denn je war, sagte er mir: ,,O Tochter, vor was fürchtest du dich? Verbirg deine Sehnsucht in meinem Herzen und niemand wird sie aus meinem Herzen herausreißen können." Jesus sprach so zu mir, weil das Verlangen nach dem Kloster, um mich immer inniger mit Ihm zu vereinigen, so stark war, daß ich fürchtete, jemand könnte es mir rauben; aber Jesus tröstete mich schnell mit jenen Worten, die ich nie mehr vergaß.

Jesus versäumte niemals, sich fühlen und sehen zu lassen, besonders wenn ich betrübt war. Eines Tages (was ich besonders anmerke) war ich, wie ich stets verdiente, von einem meiner Brüder gescholten worden, weil ich so früh am Morgen in die Kirche ging. Außer der Schelte bekam ich auch einige kleine Schläge, die ich wohl verdiente; aber ich beklagte mich darüber, und Jesus war etwas unzufrieden und wies mich mit einigen Worten zurecht, die mich in Wahrheit verletzten. "Tochter -sagte er mir - hilfst auch du dazu bei, die Peinen meines Herzens zu vermehren? Ich habe dich zu meiner Tochter erhoben, habe dich geschmückt mit dem Titel meiner Dienerin, und jetzt, wie beträgst du dich? Anmaßende Tochter, ungetreue Dienerin. Du Böse!"

Diese Worte machten großen Eindruck auf mein Herz; Jesus schickte mir danach neue Kreuze und gab mir die Kraft, dafür zu danken; und so beklagte ich mich nicht mehr.

Eine heftigere Zurechtweisung erteilte mir Jesus einmal mit diesen Worten, die ich später als berechtigt erkannte, im Augenblicke aber nicht begriff. "Tochter - sagte er mir - du beklagst dich zu viel in Widerwärtigkeiten, bist zu unschlüssig in Versuchungen und zu zaghaft in der Beherrschung der Neigungen. Ich will von dir nur Liebe: Liebe in den Widerwärtigkeiten, Liebe in den Gebeten, Liebe bei Beleidigungen, Liebe bei jeder Gelegenheit. Sag mir, Tochter, wirst du mir eine so gerechte Genugtuung und eine so kleine Vergeltung verweigern können?" Ich fand keine Worte, um Jesus zu antworten: das Herz brach mir vor Schmerz; nur einige Worte stieß ich hervor, an die ich mich noch gut erinnere: "Mein Herz, - sagte ich ihm O Jesus, ist bereit, alles zu tun, es ist bereit, vor Schmerz zu brechen, wenn ihr es wollt. Mein Gott! Und ... "

Die heilige Mission in S. Martin
Der Monat Juni war schon vorgeschritten und gegen dessen Ende hatte in S. Martin die heilige Mission begonnen. Ich zog es aber stets vor, an Stelle der Mission die Herz- Jesus-Predigt''? zu besuchen; endlich endigte diese und ich begann jeden Abend zu den Predigten in S. Martin zu gehen?", Welches mein erster Eindruck war, als ich jene Priester predigen sah, kann ich nicht beschreiben! Er war deswegen sehr groß, weil ich an ihnen das Ordenskleid wiedererkannte, mit dem ich den Mitbruder Gabriel bekleidet sah, als ich ihn das erste Mal schaute. Ich gewann eine besondere Vorliebe für sie, so daß ich von diesem Tage an keine Predigt mehr versäumte.

Am letzten Tage der heiligen Mission war das ganze Volk in der Kirche versammelt, um die heilige Kommunion zu empfangen; auch ich nahm unter vielen daran teil, und Jesus nahm das offenbar gnädig auf, teilte sich meiner Seele so sehr fühlbar mit und fragte mich:
"Gemma, gefällt dir das Ordenskleid, das jener Priester anhat?" (Und er wies auf einen Passionisten, der nicht weit von mir entfernt war.) Es war nicht nötig, daß ich Jesus antwortete: meine Herzschläge sprachen deutlicher als Worte. "Würde es dir gefallen (fügte Jesus hinzu), wenn auch du mit einem solchen Ordenskleide bekleidet wärest?" "Mein Gott!" lief] ich aus ... "Ja - schloß Jesus - du wirst eine Tochter meiner Passion sein, eine Lieblingstochter. Einer dieser Söhne wird dein Vater sein. Geh und eröffne ihm alles ... ". Und in dem von Jesus bezeichneten erkannte ich P. Ignatius.

Ich gehorchte in der Tat; am Nachmittag (es war der letzte Missionstag) ging ich dorthin, aber so sehr ich mir auch Mühe gab, gelang es mir doch nicht, von meinem Anliegen zu sprechen; anstatt zu P. Ignatius kam ich zu P. Gaetan, dem ich mit überwindung alles eröffnete, was in der verflossenen Zeit vorgefallen war und von dem ich schon gesprochen habe. Er hörte mich mit großer Geduld an und versprach mir,am Montag nach der heiligen Mission nach Lucca zurückzukehren und alles zu tun, um mich wieder Beicht zu hören. Wir einigten uns auf diese Weise. Es verging eine Woche, und dann konnte ich von neuem bei ihm beichten und wiederholte es mehrere Male.

In dieser Zeit und durch Vermittlung jenes Priesters machte ich die Bekanntschaft einer Dame(71), zu der ich von da ab eine Liebe wie zu einer Mutter faßte und die ich stets als solche angesehen habe.

Die drei Gelübde
Der einzige Grund, warum ich zu jenem Priester zur Beicht ging, war ledigich folgender: der ordentliche Beichtvater hatte mir mehrmals verboten, daß ich die drei Gelübde der Keuschheit, des Gehorsams und der Armut ablegte, weil ich sie, solange ich in der Welt war, unmöglich halten konnte; jetzt aber nahm ich, die ich immer ein großes Verlangen gehabt hatte, sie abzulegen, jene Gelegenheit wahr: ich erbat sie als erstes von jenem Priester, und er ließ mich die Gelübde sogleich vom 5. Juli bis zum hohen Fest des 8. September ablegen und an diesem Tage dann wieder erneuern. Ich war darüber höchst erfreut; ja es war für mich eine meiner größten Tröstungen.

Zur großen Plage jenes Priesters und zu meiner großen Beschämung eröffnete ich ihm alles: alle die einzelnen Gnaden, die mir der Herr gegeben hatte, die wiederholten Besuche des Schutzengels, die Gegenwart Jesus und einige Bußwerke, die ich ohne jemandes Erlaubnis ganz nach eigenem Gutdünken jeden Tag verrichtet hatte. Das erste war, daß er alles verbot; ja er verlangte selbst die Auslieferung der Instrumente, deren ich mich bedient hatte(72); endlich sprach dieser Priester ganz offen zu mir und sagte, daß er selbst mich nicht gut leiten könne und daß er mit meinem Beichtvater sprechen müsse.

Ich wollte das nicht zugeben, weil ich schon eine schöne Schelte voraussah und fürchtete von Monsignore verlassen zu werden wegen meiner Unaufrichtigkeit und des Mangels an Vertrauen ihm gegenüber; ich wollte es durchaus nicht und weigerte mich den Namen des Beichtvaters zu nennen, indem ich sagte, daß ich ihn nicht kenne- ob ich auch einen falschen Namen erfand, erinnere ich mich nicht mehr genau(73). Aber diese List hatte keinen dauernden Erfolg; zu meiner Schande wurde ich entlarvt. P. G. [= Pater Gaetan] erfuhr, daß mein Beichtvater Monsignore war; doch durfte er ihn nicht sprechen, solange ich ihm nicht die Erlaubnis dazu gab; endlich, nachdem ich ihn recht geärgert hatte, gab ich sie ihm, und beide einigten sich dann vollkommen. Ich bekam von Monsignore die Erlaubnis, bei jenem Priester zu beichten, und er schalt mich nicht, wie ich es wohl verdient hätte; dann sprach ich von den abgelegten Gelübden und er hieß sie gut und ließ mich zu den drei genannten noch ein anderes hinzufügen: Aufrichtigkeit dem eigenen Beiehtvaterger genüber(74) Endlich befahl er mir, verschwiegen zu sein und zu niemandem außer Ihm allein von meinen Erlebnissen zu sprechen.

Erfolgloser Besuch des Arztes Klagen und Zurechtweisungen Jesu
Inzwischen wiederholten sich die Ereignisse des Freitags, und Monsignore hielt es für gut, mich ohne mein Vorwissen von einem Arzt untersuchen zu lassen; aber ich erhielt davon Kenntnis durch Jesus selbst der mir sagte: "Sag' dem Beichtvater, daß ich in Gegenwart des Arztes nichts von alledem tun werde, was er wünscht." Diesem Befehl Jesus gemäß benachrichtigte ich den Beichtvater; aber er verfuhr nach seinem Willen, und die Dinge gingen, wie Jesus sie beschrieben hatte und wie Sie sie schon kennen(75).

Lieber Vater, von diesem Tage an begann ein neues Leben für mich, und ich hätte Ihnen so viel darüber zu sagen; aber wenn Jesus es will, werde ich es Ihnen allein sagen (in der Beicht).

Das war di größte und schönste Verdemütigung, die mir mein lieber Jesus schickte; nichtsdestoweniger fühlten sich mein großer Stolz und meine Eigenliebe verletzt, und Jesus in seiner unendlichen Liebe fuhr fort mit seinen Gnaden und Gunsterweisen. Eines Tages sagte er mir liebevoll (weil Jesus diese Worte an mich richtete, werde ich sie Ihnen allein sagen, lieber Vater; aber vielleicht werden Sie sie begreifen, ohne daß ich sie erkläre): "Tochter, was soll ich sagen, wenn du in deinen Zweifeln, in deinen Anfechtungen, in deinen Widerwärtigkeiten dich an alle erinnerst außer an mich; dich an alle wendest um einige Hilfe und einigen Trost außer an mich?"

Lieber Vater, haben Sie verstanden? Es war eine gerechte Zurechtweisung Jesus, die ich als verdient anerkannte; aber nichtsdestoweniger fuhr ich wie gewöhnlich fort, und Jesus tadelte mich von neuem, indem er sagte: "Gemma, glaubst du, daß ich nicht beleidigt bin, wenn du mich in deinen größeren Anliegen Dingen nachsetzt, die dir keinen Trost geben können? Ich leide, Tochter - sagte er mir -, wenn ich sehe, daß du mich vergißt." Dieser letzte Tadel genügte mir und veranlaßte mich, mich wirklich von allen Geschöpfen loszulösen, um mich ganz dem Schöpfer zuzuwenden .

P. Germanus
Ich bekam dann aufs neue ein Verbot des Beichtvaters für alle außerordentlichen Vorgänge des Freitags und Donnerstags, und Jesus gehorchte für kurze Zeit(76); aber danach war es bei mir wie gewöhnlich und noch mehr alsvorher. Ich hatte dann auch keine Angst mehr, klareseben lassen, er nicht an ähnliche Phantastereien mir kühn, daß, wenn Jesus ihn nicht hätte die Dinge klar sehen lassen, er nicht an ähnliche Phantastereien geglaubt haben würde. Ich verlor keine Zeit und machte noch am gleichen Tage ein besonderes Bittgebet zu diesem Zweck zu Jesus im Tabernakel, und siehe, wie es mir oft geschah, fühlte ich mich innerlich gesammelt und bald darauf [trat] die Verzückung der Sinne ein. Ich befand mich vor Jesus, aber er war nicht allein: er hatte bei sich einen Mann mit weißen Haaren; am Ordenskleid erkannte ich, daß es ein Passionisten-Priester war; er hatte die Hände gefaltet und betete, betete innig. Ich schaute ihn an, und Jesus sprach zu mir:
"Tochter, kennst du ihn?’’ Ich antwortete mit nein, wie es wahr war. „Schau—fügte er hinzu—dieser Priester wird dein Seelenführer sein, derjenige, der in dir armseligen Geschöpf das unendliche Werk meiner Barmherzigkeit erkennen wird“

Nach diesem Vorfall dachte ich nicht mehr daranEines Tages sah ich durch Zufall ein kleines Bild: es war gerade jener Priester, den ich vor Jesus gesehen hatte; aber das Bild ähnelte ihm recht wenig. - Die innige Gebetsgemeinschaft mit Ihnen, lieber Vater, begann damals, als ich Sie so zum ersten Male im Träume vor Jesus sah. Von da ab wünschte ich immer, Sie bei mir zu haben; aber so sehr ich es wünschte, so sehr schien es mir unmöglich zu sein. Ich betete und begann von jetzt ab mehrmals täglich darum zu bitten; und nach mehreren Monaten tröstete Jesus mich, indem er Sie zu mir schickte?(77) Jetzt höre ich auf zu schreiben, weil Sie mich von dieser Zeit an immer gekannt haben und alles wissen.

N. N.(78)

Gemma

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Fußnoten
1. „Babbo" (Vater) ist die besonders in Toskana gebräuchliche familiäre Anrede des Vaters durch die Kinder. Die Heilige hatte P. Germanus in den ersten elf uns erhaltenen Briefen (vom 29. Jänner bis August 1900) mit Pater ("Padre") angeredet; erst vom zwölften Briefe ab (14. September 1900) mit dem familiären Vater ("Babbo"), das sie auch im ganzen Bekenntnisbuch gebraucht.
2. Diese Worte stehen auf dem Umschlag des Heftes.
3. Mit den Engeln, vor allem mit ihrem Schutzengel, stand die Heilige in dauernder Verbindung. Wie ein Freund mit einem Freunde verkehrte sie mit dem Schutzengel: er betete mit ihr gemeinsam, gab ihr geistliche Lehren und öfters auch Zurechtweisungen. Vgl. P. Germano, Biografia ... (1933), Seite 296-313.
4. Gemmas eigener Schutzengel.
5.,'Viva Gesu" (Es lebe Jesus), ein in Italien gebräuchlicher Ausdruck, kommt in dem Briefwechsel der Heiligen mit P. Germanus häufig vor. Der Seelenführer hatte ihn der Heiligen anempfohlen, um ihn bei Visionen zurUnterscheidung der Geister zu gebrauchen, da erfahrungsgemäß die bösen Geister den ihnen verhaßten Namen Jesus .freiwillig fast niemals aussprechen oder wiederholen, sondern höchstens mit "Viva" antworten. - "Es lebe Jesus" klingt für deutsche Ohren wohl fremd; der Italiener aber singt sogar am Karfreitag-Nachmittag bei der Heiligen-Kreuz-Prozession vor S. Croce in Rom in ergreifender Symbolik: .Eviva la Croce" - es lebe das Kreuz!
6. Diese Überschrift stammt, wie die folgenden, nicht von der heiligen Gemma, sondern vom italienischen Herausgeber.
7. nämlich »von Seiten des Beichtvaters und des P. Germanus, die ihr nicht die Erlaubnis geben wollten, Jesus um den Tod zu bitten.«
8. Hier ist vom italienischen Herausgeber etwas ausgelassen
9. Psalm 129 (130) "Aus der Tiefe rufe ich", in der Liturgie u. a. als Totengebet verwendet.
10. Diese erste Lehrerin der Heiligen stellte ihr später im apostolischen Prozeß ein gutes Zeugnis aus. :»Sie erwähnt besonders, daß sie sie gelehrt habe zu betrachten, namentlicht über das Leiden Jesus, und sich an den Schutzengel zu wenden um Schutz und Befreiung vom Teufel
11. Die Heilige schreibt hier irrtümlich 1888; nach dem »TauftRegister« war es aber am obigen Tage, »Mittwoch nach Pfingsten.
12. »Das war die erste himmlische Ansprache, die die Heilige erwähnt; sie zahlte damals 7 Jahre und 2 Monate.«
13. Kardinal Pellegrinetti bemerkt zu diesem Absatz (in der Einführung zur italienischen Erstausgabe, 1943, S. VIII): "Wenn die Autobiographie uns nur diese kleine Begebenheit überliefert hätte, so hätte sie uns damit schon einen Schatz gegeben, den Schlüssel zu einem ganzen Leben."
14. »Nach S. Gennaro, zu dem Onkel Antonius Landi.«
15. »1880.«
16. »Der Bruder Gino, der zwei Jahre älter als Gemma war und als Kleriker 1894 starb.«
17. »Die Brüder Guido, Ettore, Gino, Antonio: die Schwe­stern Angela und Julia.«
18. »Die Oblatinnen vom Heiligen Geist, auch Schwestern der heiligen Zita oder Zitininnen genannt, begründet von der Dienerin Gottes Helene Guerra.«
19. Hier ist vom ital. Herausgeber etwas ausgelassen.
20. »Die fromme Lehrerin, die der heiligen Gemma so gut die Leidensgeschichte Jesus zu erklären wußte, war Schwe­ster Camilla Vagliensi. «
21. Die Heilige nennt hier wiederum beim schnellen Nieder­schreiben irrtümlich ein falsches Datum; es handelt sich wahrscheinlich um den 9. oder 10. Juni.
22. Dieser »Seeleneifrige Pfarrer von S. Leonhard« in Lucca gab im Prozeß u, a. folgendes Zeugnis über die heilige Gern­ma ab: »"Soweit ich es beurteilen kann, war sie ein Kind von wenigen Worten und erbaute durch ihr Betragen jeden, der sie sah?”«,
23. Zusatz des italienischen Herausgebers (wie auch alles andere in eckige Klammern Gesetzte).
24. »Mons. Johann Volpi, der 1897 Bischof wurde, war der regelmäßige Beichtvater unserer Heiligen bis zum Tode.<<
25. d. h. wohl zur ersten heiligen Kommunion.
26. »Der Leser, der von den Briefen und Ekstasen der hei­ligen Gemma her gewohnt ist, sie immer von ihren großenSünden sprechen zu hören, weiB gut, welches Gewicht er diesen frommen Übertreibungen beilegen muß «
27. »Diese Worte ... sind ein Beweis für die Unschuld Gemmas, Wenn der fromme und kluge Beichtvater Monsignore Volpi eine neue Generalbeichte nicht für angezeigt hielt, so beweist das klar, daß die schweren Fehler, deren sie sich oben anklagt, nur vor ihren erleuchteten Augen solche wa­ren und daß daher die neue Bekehrung nichts weiter war als ein neuer Aufschwung zur Heiligkeit. «
28. »Die beiden Tanten Elisa und Helena Galgani.<<
29. »Gino war der vierte, wenn man den Erstgeborenen Karl mitzählt, der mit sechs Jahren 1875 starb, drei Jahre vor der Geburt Gemmas.«
30. Die beste Schulnote in damaliger Zeit.
31. Gedächtnis-Irrtum« Gemmas, da die
März 1888 starb.
32. »Die neue Lehrerin war Schwester Julia Sestini, die heute noch lebt<< (also Anfang 1943).
33. »Am 11. September 1894<<
34. »Die Heilige schrieb 1897« aus Irrtum
35. Der Satzbau ist hier unklar.
36. »Auch hier ist geschrieben 1897.«
37. »Das Leiden, das in einem Knochenfraß bestand, vers­chlimmerte sich dadurch, daß ihr eine Bank auf den Fuß fiel, als sie bei den Zitaschwestern war
38. »Die Operation, ausgeführt von den drei Ärzten Del Prete, Giorgi und Gianni, bestand im Wegschneiden der 'Reste des Geschwürs, das durch die Bank gequetscht war und im Abschaben der Knochen - eine überaus schmerz­ehe Operation, die die Heilige mit solcher Geduld aushielt, aß sie die Bewunderung der Zuschauer und der Ärzte selbst erregte. In der Tat sagt die Tante Elisa in den Pro­essen aus: "Mir sagte meine Schwester Helena und mein Neffe Guido, die bei der Operation dabei blieben, daß sie nie­mals jammerte, weder vor, noch während, noch nach der Operation. Und einer der Ärzte, nämlich Gianni, sagte gleich ach der Operation: Tapfere Gemma! Du hast großen Mut ehabt! - Gemma antwortete dem Arzt mit einem Lächeln". Daraus ersieht der Leser, daß das Weinen und Wehklagen, von denen Gemma spricht, nichts anderes gewesen sein konnten als einige Seufzer und Tränen, die sie wegen der großen Schmerzen nicht hatte unterdrücken können.«
39. »Die Heilige schreibt immer 1897. «
40. In Wirklichkeit 18 Jahre. Gemma vernachlässigte diese äußeren Daten, weil es ihr ledigich darauf ankam, ihr In­neres zu schildern.
41. »Irrtümlich ist 1898 geschrieben.«
42. »11. November 1897.«
43. »Es war die Tante Karolina Galgani, verheiratet mit Dominikus Lencione in Camaiore.«
44. »Auch hier trägt Gemma, wie gewöhnlich, wenn sie von ihren Sünden spricht, die Farben recht stark auf. Die beiden Aussagen, die wir über diese Zeit in dem apostolischen­ Prozeß von Pisa lesen, die eine von dem Vetter Lud­g Bartelloni, die andere von Alexandra Balsuani, Dienst­te im Hause Lencioni, zeigen uns im Gegenteil Gemma ganz hingegeben dem Gebet, dem Opfer und den Werken der Nächstenliebe. Es mögen folgende Zeugnisse genügen. Der Vetter sagt unter anderem: "Ich glaube nicht, daß [Gemma] in schwere Sünden gefallen ist, ja nicht einmal in wußte läßliche... Gemma war immer mit ihrem Gott vereint. .. Alle Gespräche Gemmas bezogen sich auf Gott; sie sprach von nichts anderem als von Gott und von heiligen Dingen." Und die Balsuani: "Ich habe niemals bemerkt, daß Gemma in schwere oder auch nur in überlegte läßliche Sünden gefallen ist; sie liebte Gott in außergewöhnlicher eise, wie ihn nur die Engel lieben können. Gemma trachtet­e nach nichts anderem, als immer dem göttlichen Willen gehorsam zu sein." "Gemma war rein wie ein Engel." Auch die Base Rosa Bartelloni, die unzertrennliche Gefährtin Gemmas in der Kirche und im Geschäft des Onkels Lencioni­., erscheint in der Aussage des Bruders als frommes Mädchen. Andrerseits ist es wahr, daß die Heilige, die den ganzen Tag in einem Kurz- und Schnittwaren-Laden die Kundschaft bedienen mußte, nicht in einer Umgebung sein konnte, die ihren Neigungen entsprach. Die plötzlich auf­.tende Krankheit bot dann einen guten Vorwand, von den .Verwandten die Rückkehr nach Lucca zu erbitten; aber der wahre Grund, der sie dazu bewog, dürfte in einer anderen Tatsache zu suchen sein. Zwei junge Herren von Camaiore warben um ihre Hand: es waren ein gewisser Romeo Dalle Lucche, ein junger Apotheker, und Hieronymus Bertozzi, ein Arztsohn. Bertozzi begab sich zusammen mit dem Vater zum Onkel Lencioni, um um ihre Hand zu bitten; und Gern­ma, die keinen anderen Bräutigam als Jesus wollte, zog es vor, um jede Gelegenheit abzuschneiden, in ihr verarmtes Elternhaus zurückzukehren. Das sagt deutlich die Tante Elisa: "Sobald Gemma eine Ahnung davon bekam, floh sie unverzüglich von Camaiore und kam zu uns nach Lucca. Ich, überrascht und verwundert, fragte sie bedauernd: O, warum, Gernma, bis du zurückgekommen? Haben sie dich vielleicht nicht lieb behandelt? - Auf die erste Frage ant­wortete Gemma nicht; und auf die zweite fügte sie hinzu: Doch, sie haben mich gut behandelt und es ging mir gut; aber weißt du, es war jemand, der mich gewollt hätte; ich aber will keinen Mann; ich will ganz Jesus gehören.«
45. »Immer streng unsere Heilige im Urteil über sich selbst. Ganz anders aber lautet das' Urteil der anderen. « Es folgen Zeugnisse aus den Prozessen, die besagen, daß Gemma »ergeben und ruhig« war, sich nicht über die Pflegeund das Leiden und vor allem auch bei der sehr schmerz­ften Operation an den Nieren »gleichgültig« und brav bleb, obwohl sie »sehr litt «.
46. »Es war nicht ein Akt der Ungeduld, wie Gemma glau­ben machen möchte, sondern ein Liebeserguß an ihren Jesus, in dem Verlangen, wieder zur Kirche gehen zu können und nicht anderen zur Last sein zu müssen. Sie sagt es wenig später selbst.«
47. »Die heilige Kommunion brachte .,. ein Vetter von Mons. Volpi. Er hat in den Prozessen ausgesagt, daß er die heilige Kommunion an den 15 Samstagen der Madonna von Pompeji und noch an anderen Tagen brachte; daß der Tag, an dem sie kommunizieren konnte, "für sie ein Fest­tag war"; daß er sie "mit Begeisterung von der Andacht zum heiligen Herzen" sprechen hörte, und daß sie "mit gro­ßem Interesse nach dem Heiligtum von Paray-le-Monial und nach dem Kult, den die Selige [Margarete] dort hatte, und nach der Andacht, die man dort pflegte", fragte.«
48.»Der heilige Gabriei von der schmerzhaften Mutter Got­tes, Passionisten-Kieriker, damals noch Ehrwürdiger. Die Helige nennt ihn oft Mitbruder Gabriel. Seine Lebensbeschreibung hatte sie von Frau Martinucci, der sie Frau Cacilia Giannini geliehen hatte.«
49. »Schwester Julia Sestini, vom Institut der heiligen Zita. Sie spricht davon im Prozeß. «
50. »Die himmlische Gestalt, die der heiligen Gemma er­schien, war ihr treuer Beschützer, der heilige Gabriel von der schmerzhaften Mutter Gottes. So sagt die erwähnte Schwe­ster julia Sestini aus: "Die Novene begann am Donnerstag [lies: Mittwoch]; ich war [bei Gemma] am drauffolgenden Sonntag. Sie sagte mir: "Willst du wissen, mit wem ich die Novene mache?" Ich antwortete ihr: Mit den Tanten? Mit den Schwestern? - Aber sie antwortete immer mit einem Lächeln: "Nein, nein", und fügte endlich hinzu: "Mit dem lieben Ehrwürdigen Gabriel, der kam und mich beim Beten der» Vaterunser« unterstützte." - Durch ein glückliches Zusammentreffen wurden der heilige Gabriel von der schmerz­haften Mutter Gottes und die heilige Margarete Maria Ala­coque von Benedikt XV. zusammen am 13. Mai 1920 heilig­gesprochen. Im gleichen Jahre erfolgte am 28. April auch die Eröffnung des Seligsprechungsprozesses der heiligen Gemma Galgani.«
51. »Die Heilige, die oben kurz ein Geschwür im Kopf er­wähnt hat, sagt hier nichts von einer anderen schweren Er­krankung, einer linksseitigen eitrigen Mittelohrentzündung, die sich in jenen letzten Tagen zeigte und an der sie am Vorabend der Heilung operiert wurde.« Der operierende Arzt, Prof. Jakob Tommasi, berichtet über die sehr schmerz­hafte Operation u. a. folgendes: " ... Die Kranke sagte nichts und sprach kein Wort; sie konnte den Kopf bewegen, aber sie versuchte niemals, sich zu entziehen und bewegte sich überhaupt nicht, auch nicht unwillkürlich; so daß es mir schien, als operierte ich an einem Leichnam. Und doch mußte sie viel gelitten haben. Ich fragte sie: "Hast du gelitten?" Sie antwortete durch schwaches Lächeln und leichtes Be­wegen des Kopfes, als ob sie antworten woIlte: "Nein" oder "Nichts von Bedeutung". Als der Arzt am nächsten Tag wieder kam, fragte er: "Wie geht es?" Und sie antwortete sogleich: "Ich bin geheilt." Ich zuckte mit den Achseln und bereitete meine Instrumente zur Behandlung vor; aber als ich den Verbandstoff herauszog, fand ich ihn voIlkommen trocken, war höchst erstaunt und mußte gestehen: "Ja, sie ist wirklich geheilt ... " In meiner ganzen, sehr langen Lauf bahn und soweit ich in den italienischen und ausländischen Büchern und auch in meiner Praxis an den Kliniken von Berlin und Wien, wo diese FäIle sehr häufig sind, feststeIlen konnte, habe ich niemals einen ähnlichen FaIl von vollkorn­mener Heilung neunzehn Stunden nach Entstehung des Lei­dens finden können."« -
Die heilige Gemma hat sechs Tage nach der wunder­baren Heilung einen ausführlichen Bericht über Krankheit und Heilung verfaßt, der jetzt zusammen mit dem Beicht­buch zum ersten Male im Original veröffentlicht wurde, aber noch nicht ins Deutsche übersetzt ist. Darin beschreibt sie besonders eingehend die Art der Erscheinungen während der Novene und die himmlische Hilfe, die sie beim Beten er­hielt.
52. Bei diesem und bei manchem anderen Abschnitt wird man sich besonders schmerzlich bewußt, wie unzulänglich die hochdeutsche Sprache ist, gewissen religiösen und my­stischen Gedanken passenden Ausdruck zu verleihen. Wenn man noch in dem mystischen Deutsch eines Tauler, eines Seuse oder der Dominikanerinnen aus der Schweiz und Oberdeutschland schreiben könnte!
53. Nach der wunderbaren Heilung.
54. Ober diese Visionen und himmlischen Ansprachen ha­ben sich einige lose Tagebuchblätter von der Hand der Heiligen erhalten, die ebenfalls jetzt erst im Original veröffent­licht wurden.
55. Die Heilige Stunde zu halten, wurde Gemma von ihrer alten Lehrerin Schwester Julia Sestini kurz vor der wunder­baren Heilung nahe gelegt. Aber während die Lehrerin nur jeden ersten Donnerstag im Monat vorgeschlagen hatte machte die Heilige sogleich das Versprechen, die Heilig Stunde Jeden Donnerstag zu halten.
56. »Hier bemerkt P. Germanus: "Nach der Meinung der Theologen ist das der Unterschied zwischen himmlischen und teuflischen Erscheinungen, daß die ersteren Furcht ein­jagen, worauf aber sehr bald eine freudige Ruhe folgt; wäh­rend die anderen anfangs (sicher um besser schaden zu können) eine falsche Sicherheit verursachen, auf die eine große Verwirrung des Geistes und wahrer Schrecken fol­gen. Und an diesem Zeichen kann man leicht die eine von der anderen unterscheiden."«
57. »Nicht aus der Hand des Priesters, wie die Heilige wenig später sagt; in welcher Weise es aber geschah, erklärt sie nicht: Jesus dürfte sie auf wunderbare Weise kommuni­ziert haben, wie er es andere Male tat. Auch P. Germanus sagt in seinen handschriftlichen Notizen an der Stelle, wo er von der Kommunion Gemmas aus Engelhand schreibt:
"Drei Male nur wurde diese Erscheinung beobachtet, aber man darf glauben, daß sie sich viel öfter zutrug."«
58. Zu den Karfreitag-Zeremonien
59. »Man beachte die große Abneigung Gemmas, die göttlichen Gnaden zu offenbaren: ein sicheres Zeichen ihrer tie­fen Demut.«
60. Von der Heiligen unterstrichen
61. »Die Oberin war die Mutter Marianne Josephine Vallini und die Novizenmeisterin die Schwester Maria Josepha Guerra, beide aus Lucca. «
62. »Allzu leicht oder bequem, wie sich aus dem folgen­den ergibt.. «
63. »Mons. Nikolaus Ghilardi, Erzbischof von Lucca, des­sen Weihbischof damals Mons. Volpi war. «
64. »Man beachte, wie sich die Heilige bemüht, sich selbst anzuklagen.«
65. »Donnerstag, den 8. Juni 1899, Oktavtag von Fron­leichnam und Vorabend des Herz-Jesus-Festes. «
66. »Je größer die Gnaden sind, die Gott einer Seele gibt, desto größer ist die Erkenntnis, die er gibt über die eigene Unwürdigkeit und Armseligkeit. Und dies ist eines der Zeichen zur Unterscheidung der wahren himmlischen Gaben von den teuflischen Nachäffungen, wie Jesus selbst sich her­abließ, es eler heiligen Margarete M. Alacoque zu offen­baren .. . «
67. »Das Wunder der Stigmatisierung trug sich in der Via dei Biscione Nr. 13, 1. Stock, zu, wo Gemma damals mit der Familie wohnte. Die Straße heißt heute "Straße der heiligen Gemma Galgani".«
68. »Es empfiehlt sich zu betonen, daß die Heilige sich an­klagt, dem Beichtvater nicht aufrichtig die Gnaden Gottes offenbart zu haben, im Gegensatz zu den Sünden, die sie so gern erzählt und vergrößert.«
69. »In der Kirche der Heimsuchung.«
70. »Die heilige Mission wurde abgehalten in der Hauptkirche S. Martin vom 25. Juni bis 9. Juli 1899 durch die Passionisteu-Pater Gaetan, Adalbert, CaIlist und Igna­tius. Unter dem Segen Gottes brachte sie große Frucht.«
71. »Frau Cäcilia Giannini« (in deren Haus die Heilige dann die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte).
72. »Unter den handschriftlichen Notizen von P. Germa­nus finden wir folgende über die von Gemma geübten Buß­werke: "Sie ging barfuß, d, h. ohne Strümpfe im Winter. Sie trug einen Bußgürtel, bis er ihr verboten wurde. P. Gae­tan nahm ihr einen Strick fort, der mit Nägel bespickt war und den sie sich selbst zurechtgemacht hatte. Ich nahm ihr einen anderen Strick mit Knoten weg und eine eiserne Geißel"«
73. »Wenn die Heilige, um nicht den Namen des Beicht­vaters preiszugeben, sagte, daß sie ihn nicht wüßte, so machte sie dabei von dem geistigen Vorbehalt Gebrauch, der leicht zu durchschauen und daher erlaubt ist (die Theo­logen nennen ihn »late dicta«). Bezüglich der Lüge, daß sie einen falschen Namen erfand, sagt die Heilige: ich er­innere mich nicht genau; daher können wir annehmen, daß sie die Lüge nicht beging, weil wir ihre Gewohnheit kennen, ihre Fehler zu vervielfältigen und zu vergrößern.«
74. Von der Heiligen unterstrichen.
75. In seiner ,,Biografia" (1933), S. 115-131, beschreibt P. Germanus eingehend diese ärztliche Untersuchung der in der Freitags-Ekstase befindlichen Gemma: Sobald der Arzt die Stigmata berührte und abwusch, verschwanden sie--genau wie es Jesus vorhergesagt hatte. Er wollte nicht daß die Stigmata auf diese Weise öffentlich bekannt würden. Später aber ließ Er sie in der Stille wieder zu und be­gnadete Gemma noch mit anderen Passions-Leiden (Geiße­lung, Dornenkrönung, Blutschweiß usw). Gemma empfing durch ehe erfolglose ärztliche Untersuchung eine heilsame Verdemiitigung, von der sie im folgenden spricht.
76. Diese auf den ersten Blick befremdliche Tatsache, daß Jesus gleichsam der Anordnung eines Beichtvaters "ge­horcht", findet sich auch bei anderen Mystikern. Sie bestä­tigt und bekräftigt den von Gott gewollten Gehorsam den Priestern und geistlichen Oberen gegenüber.
77. »P. Germanus. dem Gemma den ersten Brief am 29. Ja­nuar 1900 schrieb, begab sich nach Lucca in den ersten Ta­gen des September gleichen jahres.«
78. »Was die Heilige mit diesen beiden, etwas undeutlich zeschriebenen Buchstaben bezeichnen wollte, wissen wir nicht. Vielleicht sollten sie an Stelle der Unterschrift stehen; aber dann fügte sie auch diese noch hinzu.«

2 comments:

Anonymous said...

I wish that I could read German so I could read this beautiful autobiograpy of St. Gemma. I only know a few words in German. Reading this biography makes me want to learn even more German. I'm sure that the recent book on St. Gemma written in German that you purchased recently is a magnificent volume! Thank you once again for posting all of this beautiful information on St. Gemma for all the world to see. In rememberance of our beautiful St. Gemma Galgani on her birthday!
Signed,
Respectfully,
Todd+

Glenn Dallaire said...

Hi Father Todd,

It is nice to hear from you.
Thank you for your kind comments!

Actually, I have this very same autobiography in English (Saint Gemma's Autobiography) here:

Saint Gemma Autobiography in English

May God bless you and yours,
Glenn

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